ESG-Datenanforderungen
„Klar definierte ESG-Datenanforderungen fehlen.“
Investoren sind zunehmend auf ESG-Standards angewiesen. Julia Hauber, Head of ESG Real Estate bei Wealthcap, gibt Einblicke, was die Immobilienbranche erwartet und was bereits jetzt auf der Hand liegt.
Investoren, Banken und Asset-Manager sind zunehmend auf Ratings, eine gute Datenbasis und ESG-Standards angewiesen. An vielen Stellen hakt es noch. Julia Hauber, Head of ESG Real Estate bei Wealthcap, gibt Einblicke, was in der Branche bereits jetzt in Planung ist, über ihre Erfahrungen mit Green Leases sowie über ESG-Trends der Zukunft und Herausforderungen im sozialen Bereich.
Julia Hauber
Head of ESG Real Estate, Wealthcap
Frau Hauber, glauben Sie, dass der Klimawandel im Bewusstsein der Immobilienbranche angekommen ist?
Julia Hauber: Seitdem es dahingehend gesetzliche Vorschriften gibt, ist der Klimawandel bei den meisten Unternehmen in unserer Branche angekommen. Gemeinsam mit unseren Anlegern stellen auch wir bei Wealthcap uns diesen besonderen Herausforderungen. Dagegen spielt bei vielen unserer Mieter das Thema derzeit eine noch eher untergeordnete Rolle. Allerdings sind schon seit Langem der Energiebedarf sowie die Energieeffizienz unserer Gebäude im Bereich der Nebenkosten auch für unsere Mieter bedeutsam.
Green Leases sind also noch kein so großes Thema?
Julia Hauber: Für uns sind Green Leases auf jeden Fall wichtig. Wir merken aber, dass es gerade in den Gesprächen mit neuen Mietern herausfordernd wird, solche Punkte in die Mietverträge aufzunehmen. Das Bewusstsein dafür, dass auch Büromieter an solchen Stellen einen kleinen, aber wichtigen Beitrag leisten können, fehlt an vielen Stellen noch. Ein anderes Beispiel ist das Thema Ökostrom. Wir haben alle unsere Stromverträge schon umgestellt und versuchen derzeit, auch unsere Mieter dafür zu gewinnen.
Green Leases
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Green Leases sind Mietverträge, die Klauseln enthalten, in denen sich Mieter und Vermieter darauf einigen, die Immobilie ressourcenschonend zu nutzen und zu betreiben. Das können etwa Klauseln zum Strom- und Wasserverbrauch, zur Abfallentsorgung und zur Reinigung des Gebäudes sein. Green Leases können ganz verschieden ausgestaltet werden – je nachdem, zu wie viel ressourcensparendem Verhalten sich beide Parteien verpflichten wollen. Ein wichtiger Bestandteil ist, dass die Verbrauchsdaten zwischen Mieter und Vermieter ausgetauscht werden.
Julia Hauber: Im ESG-Bereich fehlen uns klar definierte Daten- und Reporting-Anforderungen seitens der Gesetzgebung. Als Verantwortliche für die Datenerhebung im Asset-Management ist dies natürlich auch ein Herzensthema für mich. Was ist ein Artikel-8-Fonds, also ein Finanzprodukt mit ökologischen oder sozialen Merkmalen? Und was genau fällt unter Artikel 9: Nachhaltige Finanzprodukte mit einer angestrebten Nachhaltigkeitswirkung? Hierbei fehlt uns und der ganzen Branche noch eine klare Abgrenzung. Aber wir nähern uns daran an und stehen in engem Austausch mit unseren Investoren.
Julia Hauber: Ich glaube, was die Governance angeht, sind die Herausforderungen für uns selbst nicht so groß. Als Tochter der UniCredit sind wir Teil einer europäischen Bankenstruktur. Dadurch und auch generell haben wir umfassende klare Policies und Guidelines. Eine Compliance-Struktur hat automatisch auch eine Governance-Struktur. Themen wie Menschenrechte, Arbeitsbedingungen und Lieferketten, denke ich, haben die meisten Unternehmen im Griff. Dazu gehören für mich auch Themen wie die Unterzeichnung der „Principles for Responsible Investment“ (PRI). Wir sind überzeugt, dass eine langfristige Wertschöpfung nur in einem nachhaltig gestalteten globalen Finanzsystem möglich ist.
Beim Thema Social wird es jedoch spannend: Wie wollen wir das genau angehen und bewerten? Darüber diskutieren wir viel. Besonders dann, wenn wir in Wohnen investieren. Unser Geschäftsmodell sind ja unsere Investoren und deren Rendite. Andererseits gibt es in den meisten Städten einen Wohnungsmarkt, in dem die Mieten immer weiter steigen. Dort wirklich sozialverträgliche Mieten anzusetzen, ist schwierig – selbst zu bewerten, was sozialverträgliche Mieten überhaupt sind. Was wir uns aber vorgenommen haben, ist, die Aufenthaltsqualität im Objekt zu beeinflussen, damit sich die Mieter dort noch wohler fühlen. Ansonsten ist das Soziale noch ein schwieriges Thema. Da bin ich gespannt, wohin es sich entwickelt.
Julia Hauber: Dieses Jahr ging es sehr viel um Energiedaten und Abfallmanagement. Ich denke, dass wir uns künftig verstärkt mit dem Thema Wasser beschäftigen müssen und wie wir den Wasserverbrauch reduzieren können. Dies kommt alles aus der Taxonomieverordnung. Dazu gehört zum Beispiel der Wasserverbrauch für die Reinigung der Gebäude und für die Pflanzenbewässerung. Meist wird dafür noch Leitungswasser verwendet. Nachhaltiger wäre es, Regenwasser zu verwenden. Hierbei haben wir in Deutschland noch Aufholbedarf.
Wassermangel
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Dem Deutschen Wetterdienst zufolge gab es in den vergangenen Jahren deutlich weniger Niederschlag als in der Referenzperiode zwischen 1961 und 1990. So fiel der Niederschlag im Jahr 2018 um 25 Prozent geringer aus, 2019 waren es 7,0 Prozent und im vergangenen Jahr etwa 10,0 Prozent weniger. Besonders problematisch wird es, wenn der Niederschlag im Frühling fehlt. Im Frühjahr 2020 etwa regnete es nur halb so viel wie in der erwähnten Referenzperiode. Damit war 2020 der sechsttrockenste Frühling seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881. Gemäß Umweltbundesamt ist das Wasserdargebot in Deutschland trotzdem insgesamt ausreichend, wobei es jedoch regionale Unterschiede in der Wasserverfügbarkeit gibt. Lokale oder regionale Engpässe wie etwa in den Jahren 2018 und 2019 haben demnach verschiedene Ursachen. Neben den unterschiedlichen klimatischen Randbedingungen kann eine hohe Wassernutzung zu bestimmten Zeiten die Verteilungssysteme einiger Wasserversorgungsunternehmen an ihre Grenzen bringen.