Neue Geografie Büromarkt
„Auf dem Büromarkt entsteht eine neue Geografie“
Zahlreiche Trends, Entwicklungen und nun auch die Corona-Pandemie wirken auf den deutschen Büroimmobilienmarkt. Professor Dr. Thomas Beyerle von Catella gibt Einblicke.
In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Trends und Entwicklungen ihre Spuren auf dem Büroimmobilienmarkt hinterlassen. Nun kommt auch noch COVID-19 hinzu. Werden künftig überhaupt noch so viele Büroflächen benötigt – und wenn ja, welche? Darüber und wie sich Trends auf die Büroimmobilienmärkte auswirken, haben wir mit Professor Dr. Thomas Beyerle, Head of Research der Catella-Gruppe, gesprochen.
Wealthcap hat die Studie „Future Office – Bürolagen mit Perspektive“ erstellt, an der Sie mitgewirkt haben, Herr Professor Dr. Beyerle. Aktuell jedoch arbeitet pandemiebedingt ein Großteil der Beschäftigten von zu Hause. Sind die Ergebnisse der Studie durch die neuen Trends und Entwicklungen überhaupt noch relevant?
Professor Dr. Thomas Beyerle: Das sind sie auf jeden Fall! Denn wir werden das Büro auch weiterhin brauchen. Künftig muss sich sogar noch stärker die Frage gestellt werden, welche Standorte und Mikrolagen sich in Zukunft lohnen. Statt einer Eliminierung der Arbeit im Office wird eine Veränderung der Präsenzzeit aus der Pandemie resultieren. Arbeitnehmer werden die Räumlichkeiten nicht mehr acht Stunden am Tag von Montag bis Freitag nutzen. Vielmehr werden die einzelnen Mitarbeiter an den Wochentagen rotieren. Das Geschäftsmodell von Mietverträgen bei Büroimmobilien wird einen Wandel erleben und es wird sich eine neue Geografie auf dem Büroimmobilienmarkt ergeben. Daher ist nach COVID-19 von einer Preissteigerung in zentralen Lagen auszugehen.
Das müsste ja bedeuten, dass künftig weniger Fläche benötigt wird?
Professor Dr. Thomas Beyerle: In bestimmten Lagen wird künftig weniger Fläche benötigt, das stimmt. Dieser Zustand resultiert allerdings vor allem aus der angesprochenen starken Konzentration auf zentrale Standorte und nicht aus den Folgen der Pandemie. Die Büroflächennachfrage in Berlin wird auch weiterhin wesentlich größer sein als in einem Dorf irgendwo zwischen Kiel und Garmisch-Partenkirchen. Unternehmen werden lieber eine kleinere Fläche an einem Topstandort zu einer höheren Miete wählen als eine zweifelhafte Lage. Die Zukunft ist daher eine Verortung der Räumlichkeiten an einen zentralen, schnell zu erreichenden Standort: mehr Arbeitnehmer abwechselnd auf weniger, aber qualitativ hochwertigerer Fläche – zu einem höheren Mietpreis. Entsprechend wird die strukturelle Nachfrage nach Spitzenobjekten weiterhin anhalten.
Die zehn Jahre vor der Pandemie waren ungewöhnlich und geprägt durch steigende Preise, geringe Leerstände und niedrige Zinsen. Resultat waren immer weiter sinkende Renditen. Denken Sie, dass diese Situation unabhängig von COVID-19 anhalten wird?
Professor Dr. Thomas Beyerle: Definitiv. Wenn wir uns an den Kapital- und Finanzmärkten als Impulsfaktor orientieren, können wir nicht von einer Zinsänderung in absehbarer Zeit ausgehen. Aktuell fließt mehr Kapital denn je in die Anlage von Immobilien. Das klingt auf den ersten Blick positiv, bedeutet aber im Rückschluss auch, dass die Rendite langfristig immer weiter sinkt.
Kann in dem Zusammenhang von japanischen Verhältnissen gesprochen werden?
Professor Dr. Thomas Beyerle: Teilweise schon. Schließlich reden wir tatsächlich von einer lang anhaltenden Periode, die von geringem Wirtschaftswachstum, niedriger Inflation und niedrigen Zinsen geprägt ist. Jedoch sehe ich das Szenario in Deutschland nicht ganz so drastisch wie in Japan. Zum Beispiel liegt immer noch eine hohe Erwerbstätigkeit innerhalb der Bevölkerung vor. Auf der anderen Seite lassen sich Faktoren wie niedrige Renditen und Zinsen nicht verleugnen. Dennoch blicke ich der Zukunft positiv entgegen. Natürlich war eine Rendite von sechs Prozent besser, aber wir sollten die aktuellen Zeiten auch nicht schwarzmalen. Sie zwingen im Hinblick auf Gebäude schlichtweg zu Effizienz und zu einer intensiveren Nutzung der Flächen.
Die Preise für Bürogebäude und -mieten werden schon deshalb weiter steigen, weil sehr viel Kapital verfügbar ist und es an attraktiven Alternativen mangelt. Selbst im Corona-Jahr 2020, in dem deutlich weniger Vermietungen und Transaktionen stattgefunden haben, sind allen Unkenrufen zum Trotz Preise und Mieten in den größten Städten stabil geblieben, teilweise sogar moderat gestiegen. Allerdings ist eine Spreizung zu beobachten: Manche Flächen lassen sich nicht mehr so gut vermarkten. Dafür wird in Spitzenlagen auch im Lockdown-Winter zum Teil mehr gezahlt als jemals zuvor, wie jüngste Abschlüsse zeigen.
Risikomanager werden schon aus Sorge, dass der Markt sich dreht und der Abwertungsbedarf in Toplagen geringer ist, Immobilien in entsprechenden Lagen zur Investition bevorzugen. Eine große Nachfrage um wenige Objekte drückt sich abermals in einer Preissteigerung aus. Meiner Einschätzung nach werden die Renditen sich bei ca. ein bis zwei Prozent einpendeln und die Bewertungen entsprechend angepasst. Solange die Fläche in einer guten zentralen Lage angesiedelt ist, lässt sich durchaus mit einer Rendite in dieser Größenordnung umgehen. Wir bewegen uns insgesamt auf ein völlig neues Renditeniveau zu, das sehen wir ja auch bei anderen Assetklassen.
Könnte es nicht auch sein, dass Risiken nach der Corona-Krise in Form höherer Risikoprämien wieder adäquat eingepreist werden?
Professor Dr. Thomas Beyerle: Definitiv, und ich sehe da keinen Widerspruch. Der Kapitalmarkt hat bereits 2015/2016 damit begonnen, das alte Modell vom 20-jährigen Mietvertrag mit einer Bank oder Behörde – womöglich noch am Stadtrand – aus strategischer Sicht zu hinterfragen. Dies führte in den Boomjahren zu der absurden Situation, dass Büroimmobilien mit kurzfristigen Mietverträgen oder auszugswilligen Mietern teilweise höhere Preise erzielen konnten als vergleichbare Objekte mit lang laufenden Vermietungen an bonitätsstarke und zuverlässige Mieter – schlichtweg, weil sich geplante Mieterhöhungen durch Neuvermietungen so schneller realisieren ließen.
Mit dieser Anomalie ist es ohne Mietpreissteigerungsfantasie nun aber vorbei. Der Gedankengang, signifikante Mietpreissteigerungen bei Neuvermietung am Markt durchsetzen zu können, ist nicht mehr in den Köpfen der Menschen. Eine lange Restmietvertragslaufzeit sowie bonitätsstarke Mieter sind wieder positive Faktoren. Daher wird im gegenteiligen Fall eine Risikoprämie fällig und das Thema Sicherheit steht wieder höher im Kurs. Zugleich wird noch immer viel zu häufig von reinrassigen Büromärkten und Bürogebäuden gesprochen. Zukunft und Resilienz liegen aber in gemischten Quartieren und Immobilien mit Mischnutzungen, die sich gar nicht mehr eindeutig der einen oder anderen Nutzungsart zuordnen lassen. So wie auch unsere Lebens- und Arbeitswelten zunehmend ineinandergreifen.
Welche Lagen besonders sicher sind, aber auch welche Potenziale sie bieten, lässt sich auch aus der Wealthcap Studie und dem Bürolagen-Scoring gut ableiten. Was können Scorings denn im Hinblick auf Investitionsentscheidungen Ihrer Meinung nach leisten und was nicht?
Professor Dr. Thomas Beyerle: Investoren, für die ein bestimmter Standort noch Neuland ist, erhalten durch das Wealthcap Scoring eine sehr gute Grundlage für Investitionsentscheidungen. Etablierte Geldanleger werden in ihrem bisherigen Investitionsverhalten bestärkt oder auf neue Potenziale aufmerksam gemacht. Nichtsdestotrotz liefert die Studie keine Investitionsempfehlungen, erst recht nicht für ein bestimmtes Objekt. Das muss der Investor natürlich immer noch selbst bewerten. Zudem betrachten wir nur die aktuelle Situation und können keinen Blick in die Glaskugel werfen. Allerdings sind wir bereits einen Schritt weiter als andere Studien gegangen und haben die in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewinnenden und mit Sicherheit nach der Pandemie wieder relevanter werdenden Trends Mobilität und Einkaufsverhalten mit einbezogen. Die Menschen und ihre Bedürfnisse haben sich verändert. Ändern sich die Ansprüche, muss natürlich auch der Schwerpunkt einer Studie angepasst werden. Sie bietet somit einen absoluten Mehrwert gegenüber klassischen Standortanalysen. Daher passen unsere Erkenntnisse perfekt in die Zeit.
FUTURE OFFICE: Auf dem Büromarkt entsteht eine neue Geografie
FUTURE OFFICE: Auf dem Büromarkt entsteht eine neue Geografie Die 2010er Jahre waren ein goldenes Jahrzehnt für die deutschen Büroimmobilienmärkte, geprägt von einem stetigen, ja fast makellosen Aufschwung. Markiert das Corona-Jahr 2020 nun die Trendwende? Oder handelt es sich lediglich um eine kurze Atempause?
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