Mikrolagen vergleichbar machen
„Mikrolagen vergleichbar machen“
Ein Scoring, um sein Portfolio zu justieren? Prof. Dr. Carsten Lausberg von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen erklärt die Idee dahinter.
Hinter der Studie „Future Office-Bürolagen mit Perspektive“ von Wealthcap steckt eine Grundidee: Investoren ein praxisnahes Instrument an die Hand zu geben, welches es ihnen ermöglicht, ein diversifiziertes Büroportfolio in Deutschland nach ihren individuellen Rendite-Risiko-Anforderungen aufzubauen. Herausgekommen ist ein neuartiges Scoring-Verfahren. Methodikexperte Prof. Dr. Carsten Lausberg erklärt den Scoring-Prozess und gibt Einblicke in Bewertungsdetails. Er ist Professor für Immobilienwirtschaft an der HfWU Nürtingen-Geislingen und Mitentwickler des Scorings.
Professor Dr. Carsten Lausberg: Da gibt es mehrere Punkte, die mich gereizt haben. Zum einen greift die Studie aktuelle Trends wie Mobilität und Nahversorgung auf und trifft damit einen Nerv der Zeit. Wichtig ist auch der Faktor Risiko, der selten detailliert und häufig eindimensional betrachtet wird. In der Regel wird nur eine Risikokennzahl verwendet, was der Komplexität von Immobilieninvestitionen nicht gerecht wird. Wir setzen dagegen auf eine Mischung verschiedener Risikomaße, vor allem Volatilität und Scoring. Die größte Besonderheit ist für mich aber die innovative Kombination aus Mikro- und Makroebene, die Wealthcap ja bereits bei vorangegangenen Studien umgesetzt hat. Zwar befassen sich zahlreiche Studien regelmäßig mit dem Immobilienmarktrisiko, doch bleiben sie in der Regel auf der Makroebene. Für Investoren ist aber auch die Mikroebene immens wichtig, weil sich ein Stadtteil oder ein Bürozentrum ganz anders entwickeln kann als der Rest der Stadt. Mithilfe unseres Scorings werden unterschiedliche Makro- und Mikrostandorte vergleichbar gemacht. Damit können Investoren Lagen identifizieren, die für ihre jeweiligen Anlageziele geeignet sind.
Ein weiterer Grund, bei der Studie mitzumachen, war die Herausforderung, meine Erkenntnisse aus 25 Jahren Risikoforschung mal wieder auf eine praktische Aufgabe anzuwenden, dazu noch mit einem starken Team aus den Marktexperten von Wealthcap.
Professor Dr. Carsten Lausberg: Nach wie vor sind vollständig und langfristig vermietete Core-Büroimmobilien in zentralen Lagen der größten deutschen Metropolen der Goldstandard am Immobilienmarkt. Zentrale, schnell zu erreichende Standorte, die durch eine gute Infrastruktur, ein breites Nahversorgungsangebot und eine perfekte Verkehrsanbindung überzeugen, werden auch in Zukunft sehr interessant für Investoren sein. Insbesondere sicherheitsorientierte und am langfristigen Kapitalerhalt ausgerichtete Investoren entscheiden sich primär für Investments dieser Art. Der Cashflow aus den Mieterträgen ist relativ zuverlässig und gut prognostizierbar. Doch dafür sind die Renditen sehr gering, das ist der Preis.
Stärker renditeorientierte, risikoaffine Investoren suchen nach Objekten und Lagen mit hohem Wert- und Mietsteigerungspotenzial. Für solche Anleger sind daher besonders Lagen interessant, die Entwicklungschancen bieten oder Nachholbedarf gegenüber anderen haben. Doch wie kann man diese identifizieren? Welcher Mikrostandort wird sein Potenzial ausschöpfen, welcher wird zum „Rohrkrepierer“? Hierbei bietet das Scoring eine gute Orientierungshilfe.
Natürlich sind die Investoren und die Lagen nicht in Schwarz und Weiß zu unterteilen, es gibt viele Graustufen, die ein entsprechend fein eingestelltes Instrument verlangen. Wenn man so ein Instrument hat, kann man sein Portfolio nach den Kriterien Risiko und Rendite justieren.
Professor Dr. Carsten Lausberg: Jedes Scoring sollte ein Kreislauf sein. Zuerst wird eine Scorecard entwickelt. Dann werden die Märkte damit bewertet und die Scores in der Praxis eingesetzt. Darauf aufbauend werden die tatsächlichen mit den vorhergesagten Ergebnissen verglichen und die Scorecard wird für die nächste Runde angepasst. So sind wir auch vorgegangen.
Etwas genauer: Als erstes haben wir aus der Datenbank Riwis und aus früheren Projekten eine lange Liste mit Markt- und Standortdaten zusammengetragen, die für Investmententscheidungen wichtig sein könnten. Wir nennen sie Indikatoren, weil sie eine bestimmte Marktentwicklung anzeigen. Außerdem haben wir systematisch nach weiteren Daten gesucht, die bis dahin noch nicht für ein Scoring verwendet worden waren. Alle wurden auf ihre Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit, Korrelationen, Länge der Zeitreihe etc. untersucht. So konnten wir einige ungeeignete Daten ausschließen. In einem Workshop mit Marktexperten reduzierte sich die Zahl weiter auf je sechs Mikro- und Makrostandortindikatoren für den nächsten Schritt, die Modellierung. Unsere Intention war ja die Erstellung eines Scorings, das Investoren dabei unterstützt, fundierte Entscheidungen hinsichtlich künftiger Investments zu treffen. Dazu brauchten wir zwei Modelle, ein volkswirtschaftliches, das den Büroimmobilienmarkt abbildet, und ein betriebswirtschaftliches, welches eine Immobilienkalkulation mit den wichtigsten Entscheidungsparametern enthält. Daraus konnten wir ableiten, wie sich Änderungen der Marktgrößen auf den Cashflow, die Wertänderung und das Risiko einer Immobilie auswirken.
Nachdem das geschafft war, wurde die Scorecard erstellt. Das heißt, es wurde für alle Indikatoren festgelegt, auf welche Weise sie in das Gesamtscoring eingehen. Anstatt nur absolute Zahlen zu betrachten, haben wir auch andere Kennzahlen einbezogen, zum Beispiel die Volatilität, um Marktschwankungen zu berücksichtigen. Mit der Scorecard wurden anschließend alle sieben A‑Städte mitsamt ihren 94 Bürolagen bewertet. Hierbei haben wir uns noch eine Besonderheit einfallen lassen: Da sich Investoren hinsichtlich ihres Risikoappetits sehr unterscheiden, kann jeder die Gewichtungen an die eigenen Präferenzen anpassen. Es geht eben nicht nur um die Investments in Büroimmobilien, genauso wichtig ist das Risiko einer Bürolage. Dieses wird allerdings von jedem etwas anders empfunden. Das Scoring ist das passende Instrument dafür, weil es diese Subjektivität zulässt, aber in einer transparenten und überprüfbaren Weise.
Professor Dr. Carsten Lausberg: Wir leben in einer Zeit, die von Umbrüchen, Krisen und großer Unsicherheit über die Zukunft geprägt ist. Die aktuelle Pandemie ist dafür nur ein extremes Beispiel unter vielen. Für langfristig orientierte Investoren ist es existenziell, ihre Investmentstrategie so auszurichten, dass ihnen Krisen wenig anhaben können. Zukunftsstarke Investments sind solche, die in Krisen und bei anderen ungünstigen Entwicklungen besser abschneiden als andere. Das nennt man Widerstandsfähigkeit oder Resilienz. Daher sind Objekte und Standorte, die sich schnell an neue Entwicklungen anpassen können und unter schwierigeren Bedingungen attraktiv bleiben, vor allem für risikoaverse Investoren wichtig. Die Herausforderung besteht darin, diese Resilienz messbar zu machen.
Professor Dr. Carsten Lausberg: Ja und nein! Ja deswegen, weil wir uns intensiv mit der Resilienz befasst und einen Resilienzindikator entwickelt haben. Der ist in die Studie eingeflossen. Den Standort München Cityrand Süd beispielsweise halten wir für widerstandsfähiger als andere Stadtrandlagen, was wir in der ausführlichen Studie auch erläutern. Nein deswegen, weil der Resilienzindikator statistisch nicht gut genug war, um für alle 94 Mikrostandorte zuverlässige Aussagen zu liefern. Wir haben ihn daher nicht in unser Scoring einbezogen, obwohl wir in den Daten klare Muster für Resilienz erkannt haben. Dies ist einer der Punkte, an denen wir in den nächsten Jahren arbeiten werden. Das Scoring ist als lebendes, lernendes System konzipiert, das jedes Jahr mit aktuellen Daten bestückt und angepasst wird. Nur so sind immer aktuelle, genaue und zuverlässige Einschätzungen hinsichtlich der zukünftigen Büromarktentwicklung möglich.
Die Verwendungsmöglichkeiten der Studie sind allerdings noch vielfältiger. So zeigt das Scoring auch auf, welche Lagen das Potenzial aufweisen, sich künftig zu einer resilienten Spitzenlage weiterzuentwickeln. Oder welche Lagen zwar insgesamt nur mittelmäßig abschneiden, aber für eine bestimmte Mieterzielgruppe bestens geeignet und in dieser Nische erfolgreich sind. Deutschland ist dank seiner Vielfalt ein sehr spannender Investitionsstandort. Hierzulande gibt es mehrere international interessante Top-Standorte mit ganz eigenen Stärken und Schwächen auch auf der Mikroebene, und nicht nur die eine Hauptstadt einschließlich noch ein oder zwei weiterer Metropolen wie in vielen anderen Ländern. Um davon als Investor – gleich welcher Strategie und Risikoaffinität – auch bestmöglich zu profitieren, sind detaillierte Analysen und Scorings unverzichtbar.
Future Office - Bürolagen mit Perspektive
In Zusammenarbeit mit dem Methoden- und Scoringexperten Prof. Dr. Carsten Lausberg von der Universität Nürtingen-Geislingen und mit Unterstützung ausgewiesener Experten für deutsche Büroimmobilien gelang auf Basis der Marktzahlen von bulwiengesa das am weitesten entwickelte Wealthcap Scoring. Es bildet den Kern der vorliegenden Wealthcap Studie „Future Office –Bürolagen mit Perspektive“ mit dem speziell entwickelten Wealthcap Scoring.