Von Ottobrunn ins Weltall
Von Ottobrunn mit dem Satelliten-Taxi ins Weltall
Es muss nicht immer die Innenstadt sein. Lesen Sie, warum das Raumfahrt-Startup Isar Aerospace im Wealthcap Gebäude in Ottobrunn ideale Bedingungen findet.
München und Umgebung hat sich als „Space Valley“ einen Namen gemacht. Hier tummeln sich neben etablierten Unternehmen wie Airbus oder Ariane Group auch innovative Startups. Zu den spannendsten Beispielen zählt das junge Raumfahrt-Unternehmen Isar Aerospace. Ausgerechnet im beschaulichen Ottobrunn im Süden des Münchener Speckgürtels hat es optimale Bedingungen für seine Raketenentwicklung gefunden – unter anderem in einem Bürogebäude, das zum Portfolio eines aktuellen Wealthcap Fonds gehört.
Anders als das namensgebende kalifornische „Silicon Valley“ ist das Münchener „Space Valley“ eigentlich ein Dreieck, das die drei Hauptstandorte Garching, Oberpfaffenhofen und Ottobrunn/Taufkirchen rund um die bayerische Landeshauptstadt bilden. Über die Arbeitsteilung herrscht bei diesem bajuwarischen Tech-Trio Einigkeit: In Oberpfaffenhofen mit dem Sonderflugplatz liegt der Fokus auf Luftfahrt, in Garching auf Luft- und Raumfahrt – und in dem Technologiepark auf dem Grund der beiden Gemeinden Ottobrunn und Taufkirchen hauptsächlich auf Raumfahrt.
Seit 2018 ist die 20.000-Einwohner-Gemeinde Ottobrunn um ein junges Unternehmen mit einer spannenden Zukunftsvision reicher: Vor drei Jahren gründete Daniel Metzler gemeinsam mit seinen Kommilitonen von der Technischen Universität München (TUM) Josef Fleischmann und Markus Brandl das Raketen-Startup Isar Aerospace, das er heute als CEO führt. Sein Geschäftsmodell hat der 29-jährige gebürtige Österreicher schnell zusammengefasst: „Wir sind eine Art Weltraum-Taxi für unsere Kunden. Sie geben uns ihre Satelliten, wir platzieren sie präzise im Orbit. Dafür entwickeln, fertigen und betreiben wir Trägerraketen.“
Dabei ist ihm bewusst, dass die Raketen mit einer Tonne Maximal-Nutzlast im Gegensatz zu den deutlich größeren Wettbewerbern, etwa aus den USA, vergleichsweise klein sind. Doch genau darin steckt die Idee und der Wettbewerbsvorteil: „Unsere Stärke ist es, intelligente, passgenaue und flexible Lösungen anzubieten“, stellt Metzler klar. „Soll zum Beispiel ein 500-Kilo-Satellit transportiert werden, macht es keinen Sinn, hierfür eine 20-Tonnen-Rakete nutzen. Das wäre so, als führe jemand mit dem Schulbus allein zur Arbeit.“
Günstiger und flexibler Zugang zum Weltall
Stattdessen fokussiert sich das Unternehmen darauf, seinen Kunden einen günstigen und flexiblen Zugang zum Weltall zu bieten. Hierzu zählen etwa Satellitenhersteller, Kommunikationsunternehmen, Autohersteller und auch Regierungsorganisationen. Metzler: „Sie alle brauchen Zugang zum Weltall. Der gleicht bislang allerdings einem teuren und unflexiblen Nadelöhr.“
Bereits Ende 2020 verlautbarte „Isar Aerospace“ stolz die erfolgreiche Series-B-Finanzierungsrunde, in der das Unternehmen über die beteiligten Wagniskapitalgeber 75 Millionen Euro einsammeln konnte. Unter Hochdruck arbeiten die Raumfahrt-Experten von Isar Aerospace seitdem an den finalen Entwicklungsschritten – mit höchster Konzentration auf die kommenden Tests. Ihren Jungfernflug visieren sie für 2022 an.
Der Countdown läuft, die Spannung steigt: Die Vorbereitungen auf den Jungfernflug im nächsten Jahr laufen – wie man sieht – auf Hochtouren.
High-Speed-Internet für Afrika – von heute auf morgen
Das Geschäft mit Satelliten und Satellitenkonstellationen betrachtet Metzler als eine Schlüsselindustrie der kommenden 20 Jahre. „Aktuell sind 50 Prozent der Menschen auf der Welt ohne Internetzugang“, erläutert er als Beispiel. „Mit Satellitenkonstellationen lässt sich dieses Problem lösen. Damit erhalten die abgelegensten Regionen und ärmsten Länder der Welt die Chance auf einen flächendeckenden High-Speed-Internet-Zugang – ohne dass sie hierfür die nötige aufwändige Infrastruktur schaffen müssen.“ Damit lasse sich beispielsweise Afrika von heute auf morgen online schalten – mit 150 Megabit pro Sekunde.
Mit Satelliten lassen sich außerdem auch die Folgen des Klimawandels präzise beobachten und besser abschätzen, so Metzler. „Es geht bei der Raumfahrt ja nicht nur darum, Menschen auf den Mond zu bringen – es geht vor allem darum, das Leben auf der Erde besser zu machen.“ Vor diesem Hintergrund biete der permanente „24/7“-Blick aus dem Weltall auf die Erde durch Satelliten gewaltige Chancen.
Durch geringere Produktionskosten der Flugkörper will Isar Aerospace den Kunden künftig kosteneffizient ermöglichen, ganze Konstellationen von Satelliten in die Erdumlaufbahn zu befördern. Nach Unternehmensangaben liegen hierfür bereits Kundenanfragen im Volumen von über einer halben Milliarde US-Dollar vor.
„Das Office in Ottobrunn war ganz einfach ein Glücksgriff für uns.“
Die rasante Entwicklung des Unternehmens, das 2018 mit einem Team von 25 Mitarbeitern begann und inzwischen auf mehr als 150 gewachsen ist, gleicht selbst einem Raketenstart. Im September 2020 erfolgte im Beisein von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder die Eröffnung der Produktion in einem Gewerbegebiet im Norden Ottobrunns – unweit von den Büroräumen der Firmenzentrale entfernt.
Genau hier, in der Standortwahl, sieht Metzler einen entscheidenden Erfolgsfaktor für Isar Aerospace. „Um es klar zu sagen: Das Office in Ottobrunn war ein Glücksgriff für uns“, findet er im Rückblick. Die Raumfahrt-Gemeinde im „Space Valley“ bezeichnet er als „unschlagbares Cluster“. „Das beginnt schon mit unserer größten Herausforderung: Unsere Trägerraketen sind bis zu 30 Meter lang. Das bedeutet, wir brauchen einen Standort, der uns die Möglichkeit bietet, damit in eine Produktionshalle zu fahren. Damit fällt ein Großteil möglicher Standorte weg.“ In Ottobrunn indes ist das möglich.
Zwar wären hierfür auch Garching und Oberpfaffenhofen in Frage gekommen. Doch für Ottobrunn sprach laut Metzler vor allem, dass Industrie und Forschung hier ebenso vor Ort sind wie die Zulieferer und sehr guten Testkapazitäten.
„Weites Pendeln wollten wir unseren Mitarbeitern nicht antun“
Doch das war nicht das einzige Pfund, mit dem Ottobrunn wuchern konnte. Hinzu kommt die vor allem im Vergleich zu Garching und Oberpfaffenhofen deutlich bessere Anbindung an die Münchener Innenstadt, auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Im Vergleich zu Ottobrunn, das nur 30 Minuten vom Münchner Zentrum entfernt ist, dauert es von der Innenstadt nach Oberpfaffenhofen oder Garching eine ganze Stunde. „Weites Pendeln wollen wir für unsere Mitarbeiter möglichst vermeiden“, sagt Metzler. Ottobrunn biete zudem nicht nur ausreichend Potenzial für eine weitere Vergrößerung der Produktion, sondern spare dem Unternehmen angesichts seiner räumlichen Nähe zu Zulieferern und Kunden Zeit und Geld.
Gespannt blickt Metzler zudem der Fertigstellung des Ludwig-Bölkow-Campus entgegen, der sich in direkter Nachbarschaft in der Gemarkung der Kommune Taufkirchen befindet, und zugleich der TUM-Fakultät für Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie als Hauptsitz dienen soll. Bis der tatsächliche Campus mit einem eigenen Bau auf einem riesigen Gelände von 20.000 bis 30.000 Quadratmetern steht, kann es allerdings noch bis Ende dieses Jahrzehnts dauern. Dann sollen 4.000 Studierende dort lernen und 55 Professoren forschen und lehren. Am Ende wird hier eines der größten Luft- und Raumfahrtzentren der Welt entstehen – insbesondere für Satellitentechnik. „Der Kontakt zu den Studierenden ist für uns besonders interessant“, sagt Metzler mit Blick auf die Nachwuchssicherung.
„Für das, was wir tun, wollen wir die Besten. Und die finden wir in der Nähe der Münchner City.“
Der große und qualifizierte Talentpool ist freilich nicht nur ein Vorteil Ottobrunns, sondern des gesamten Großraums München. Die starke Dominanz von Hardware und Digitech macht die Personalgewinnung deutlich leichter. „Nicht umsonst lassen sich die Tech-Giganten wie Google oder Apple hier in München nieder“, sagt Metzler. Auch für seine Raketenentwicklung sind hochqualifizierte Software-Experten und Programmierer notwendig. Metzler: „Für das, was wir tun, wollen wir die Besten. Und die finden wir hier.“ Zum Vergleich: In Harvard würden in etwa vier Prozent der Bewerber akzeptiert. Bei Isar Aerospace schafften es nur 0,4 Prozent.
Hinzu kommt ein weiterer Vorteil der Tech-Region München: die kurzen Wege zu den Venture-Capital-Investoren mit Hightech-Fokus, die sich ebenfalls im „Space Valley“ an der Isar ballen. München zählt unter den Investitions-Standorten für Metzler zur europäischen Spitze. „Ganz im Unterschied zu vielen anderen Standorten, wo sich viele vielleicht nicht an einen solch speziellen Investitionsbereich herantrauen. Auch weil sie die Technologie eventuell nicht zu hundert Prozent verstehen“, betont Metzler. „In München verfügen dagegen die meisten über den nötigen Background, um das Geschäftsmodell in all seinen technischen Facetten zu verstehen.“ Die Nähe macht sich bezahlt: „Board Meetings lassen sich vor Ort und persönlich abhalten, ohne dass wir hierfür gleich um die halbe Welt fliegen müssen.“
Optimales Arbeiten in hellen Büroräumen, Feierabendbier auf der Dachterrasse
Gefragt ist allerdings nicht nur eine hohe Standort- und Lagequalität, auch an die Gebäudequalität werden hohe Ansprüche gesetzt. Diese trägt letztlich zu optimalen Arbeitsbedingungen bei und sorgt mit dafür, hochqualifizierte Fachkräfte für Isar Aerospace zu gewinnen. Im komplett neu entwickelten Bürogebäude in Ottobrunn habe man beste Bedingungen vorgefunden, schwärmt Metzler. Das Raumkonzept zeichnet sich zum einen durch ein modernes und großzügiges Design und zum anderen durch ein ideales – natürliches – Beleuchtungskonzept aus. „Es gibt hier tatsächlich keinen Raum ohne Fenster“, staunt der Gründer. „Das verschafft uns eine hervorragende Arbeitsatmosphäre.“
Ein zusätzliches Plus sind die Gebäudekapazitäten, die ein weiteres Wachstum der Belegschaft ermöglichen. Und zwar mit demselben IT-Netzwerk und ohne erneut auf die aufwändige Suche nach einem größeren Standort gehen zu müssen. „Das war ganz entscheidend für uns“, betont Metzler.
„Auch insgesamt sind die neu errichteten Gebäude von einer extrem guten Qualität. Von Schmankerln wie unserer Dachterrasse gar nicht zu reden – der ideale Ort für das gemeinsame Feierabendbier.“ Spätestens wenn im nächsten Jahr der erste Raketenstart geschafft ist, wird es für Metzler und seine Mitarbeiter höchste Zeit, dort miteinander anzustoßen.