ESG Investor-Interview
„Wir wollen vor der Welle surfen“
Kapital gewinnbringend und nachhaltig investieren. Kein Widerspruch. Uwe Zeidler vom Versorgungswerk der Zahnärztekammer Nordrhein über Impact-Investments in soziale Infrastruktur, Green Buildings – und urbane Seilbahnen.
Kapital gewinnbringend investieren und zugleich eine positive Auswirkung auf Umwelt und Gesellschaft erzeugen – ein hehres Ziel vieler Anleger, in guten wie in herausfordernden Zeiten. Doch auf keinen Fall ein Widerspruch. Diplom-Ökonom Uwe Zeidler erläutert, welche Rolle Impact-Investments für seine Investitionsstrategie bei Real Assets spielen. Seit 2013 ist er einer von zwei Geschäftsführern des Versorgungswerks der Zahnärztekammer Nordrhein.
Uwe Zeidler
Geschäftsführer des Versorgungswerks der Zahnärztekammer Nordrhein
Herr Zeidler, Real Assets liegen stark im Trend. Wie bewerten Sie Sachwert-Investments und welche Erwartungen stellen Sie an diese Strategie?
Uwe Zeidler: Wir sind eines der ältesten Versorgungswerke Deutschlands und das größte, das ausschließlich für Zahnärzte zuständig ist. Wir nähern uns aktuell den vier Milliarden Euro Assets under Management und haben insgesamt fast 11.000 Mitglieder – Einzahler wie Leistungsbezieher. Wie alle anderen Versorgungswerke auch stellt uns die Niedrigzinsphase vor Herausforderungen.
Real Assets sind für uns mehr als Immobilien, aber bleiben wir ruhig zunächst dabei: Wir sind in erster Linie Cashflow-orientiert. Uns interessiert bei einem Immobilien-Investment die nachhaltige laufende Nettorendite abzüglich aller Kosten. Wir sind langfristige Bestandshalter und schauen deshalb weniger auf die Gesamtrendite, zu der auch Wert- beziehungsweise Veräußerungsgewinne zählen. Wer weiß schon, was in zehn, 15 oder 20 Jahren ist, wenn wir das Objekt womöglich wieder veräußern? Die Gesamt-IRR kann sich über die Laufzeit durchaus verändern. Uns ist da der Spatz in der Hand lieber als die Taube auf dem Dach.
Wie gehen Sie bei Immobilien-Investments vor? Welche Kapitalanlage würden Sie empfehlen?
Uwe Zeidler: Als Versorgungswerk sind wir an bestimmte Regularien gebunden, allen voran an das VAG und die Anlageverordnung. So dürfen wir Direktinvestments eigentlich nicht selbst leveragen, also mit Fremdkapital die Eigenkapitalrendite hebeln. Unter anderem aus diesem Grund haben wir auch vor zwei Jahren all unsere Direktinvestitionen auf eine Investment-KG übertragen. Ein gesondertes Risikocontrolling und Reporting ermöglicht uns im Rahmen dieser KG die Kontrolle über die einzelnen Assets. Investitionen über unsere KG tätigen wir allerdings nur in nächster Umgebung im Rheinland, oder in Ausnahmefällen auch mal innerhalb Deutschlands – aber niemals über die Landesgrenzen hinaus.
Wir investieren selbstverständlich über Fondsstrukturen. Gerade für Investments außerhalb von Deutschland oder für Themen wie Hotels oder Einzelhandel suchen wir uns einen Spezialisten. Eigene Mitarbeiter sowie ein Tool kontrollieren dann diese Fonds bis ins kleinste Detail.
Wie relevant sind ESG-Kriterien bei Ihrer Investitionsstrategie?
Uwe Zeidler: Auf unserer Prioritätenliste stehen ESG-konforme Investments ganz weit oben. Dabei streben wir in allen Asset-Klassen nach Impact-Investments. Damit sind Investments gemeint, die nicht nur bestimmte Umwelt- oder Sozialkriterien erfüllen, sondern direkte Auswirkungen haben, wie Erneuerbare-Energie-Anlagen oder soziale Infrastruktur, also Schulen oder Krankenhäuser. Wir versuchen dabei immer, weit vor der Welle zu surfen. Zum Beispiel wandeln wir derzeit ein altes Postverteilzentrum in Düsseldorf in eine Stadtbibliothek um. Und wir investieren in urbane Seilbahnen; die sind baulich viel weniger kostenintensiv und zeitaufwendig als eine U-Bahn. Im vergangenen Jahr haben wir einen eigenen Fonds aufgesetzt, der in Kindergärten investiert. Solche hochinteressanten und kreativen Ideen fehlen bislang auf dem Markt. Höchste Priorität hat für uns ein Investment, das einen positiven Impact auf unsere Gesellschaft ausübt – und zwar am besten in unserer Heimatregion.
Für Reporting-Vorgaben aus der EU sind wir noch zu klein, da liegen wir unter dem Radar. Trotzdem haben wir ESG-konforme Investments auf unserer Agenda. Pensionskassen, die sich aufgrund ihrer Größe mit dem Thema schon beschäftigen müssen, investieren natürlich auch entsprechend den Richtlinien. Vermutlich werden allein die Reporting-Anforderungen dafür sorgen, dass nachhaltige Investitionen auf dem Markt künftig keine Besonderheit mehr darstellen.
Welche Rolle spielen dabei regulatorische Rahmenbedingungen – jetzt und in Zukunft?
Uwe Zeidler: Als Versorgungswerk sind wir nicht an Regularien gebunden oder dazu verpflichtet, einen Mindestanteil an Investitionen ESG-konform zu leisten. Wir stehen allerdings in Gesprächen mit unserer Landesaufsicht, die das Thema derzeit im großen Kreis diskutiert. Einige dem Land zugeordnete Pensionsfonds sind schon stark ESG-konform ausgerichtet worden. Feste Quoten gibt es jedoch noch nicht. Es ist unsere intrinsische Motivation, den Nachhaltigkeitsgedanken schon jetzt zu leben.
In absehbarer Zeit, ich vermute in vielleicht fünf Jahren, werden diese Kriterien jedoch unabhängig von der Größe verpflichtend für alle sein. Wenn wir das absehen können, warum dann nicht schon jetzt handeln? Dann sind wir schon investiert, wenn die gesetzlichen Vorschriften kommen. Es mag sein, dass sich dieser Prozess durch die Corona-Krise verlangsamt, aber eine stärkere Verpflichtung wird kommen, davon sind wir überzeugt.
Wie bewerten Sie denn die Nachhaltigkeitszertifizierungen im Immobiliensektor? Spielt das für Ihr Portfolio bereits eine Rolle?
Uwe Zeidler: Es fehlt an strukturierten, sinnvollen Bewertungen, an denen wir uns orientieren können – der Zertifizierungsmarkt ist einfach zu unübersichtlich. Bei liquiden Assets sind wir für unseren Nachhaltigkeitsbericht schon relativ weit gekommen: 80 Prozent lassen sich bereits nach ESG-Kriterien bewerten. So weit sind wir bei Immobilien noch lange nicht. Auf Portfolioebene gibt es noch zu wenig, um belastbare Scorings und Rankings zu erstellen. Wenn wir in eine Immobilie investieren oder ein Objekt bauen, dann wollen wir immer diese Standards erreichen oder sogar übererfüllen. Diese Qualität möchten wir dauerhaft halten. Dazu brauchen wir von unseren Managern ein regelmäßiges und gutes Reporting über die einzelnen Objekte in den jeweiligen Fonds.
Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Wie wird sich Ihre Investmentstrategie in den kommenden zehn Jahren verändern?
Uwe Zeidler: Die Innenstädte nur mit Einzelhandel zu füllen, kann nicht gewinnbringend sein. Ein gemischtes Nutzungskonzept verschiedener Assets, etwa Büro- und Einzelhandelsimmobilien in der Kombination mit Wohnraum, das ist einfach sinnvoller. Für uns genügt ein Blick in die Vergangenheit, um die Relevanz von Nachhaltigkeit im Investmentsektor zu erkennen. Noch vor zehn Jahren waren zwei Drittel unserer Assets in Anleihen investiert. In den zurückliegenden sieben Jahren haben wir unser Asset-Management deutlich erhöht und weiter ausgebaut. Und wir suchen weiter nach Alternativen, gerade auch nach der Corona-Krise. . Wir sind guter Dinge, dass gesetzliche Vorgaben zu ESG-Kriterien kommen werden. Vermutlich wird die Infrastruktur als Asset-Klasse künftig sehr begehrt sein, auch weil über die Eigenkapitalabdeckung stärkere Investitionen möglich sind. Sobald wir die Chance haben, werden wir auch dort deutlich investieren.
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