Future Asset Allocation
„Der Trend zu Nachhaltigkeit wird noch dominierender werden“
Müssen Stiftungen auf Ewigkeit ausgerichtet sein? Wie beeinflusst die Satzung die Anlagepolitik? Und wie stellen sich Stiftungen dem aktuellen Marktumfeld? Dazu Michael Hoffmeier, Geschäftsführer der Thüringer Stiftung HandinHand

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Versicherungen scheinen anderen Investorengruppen hinterherzuhinken, wenn es darum geht, die Portfolioallokation an die Zinsrealität anzupassen. Dr. Thomas Mann, Geschäftsführer der Ampega Asset Management GmbH sowie der Ampega Investment GmbH und damit verantwortlich für die Kapitalanlage innerhalb der Talanx-Versicherungsgruppe, sieht die Ursache nicht allein in der Regulierung. In unserer Interviewreihe zur aktuellen Wealthcap Studie „Future Asset Allocation – Resilienz in der institutionellen Anlage“ erläutert er weitere Ursachen.
MICHAEL HOFFMEIER Klimawandel und Artensterben sind für mich wesentliche, wenn nicht sogar die größten Herausforderungen, denen die ganze Menschheit gegenübersteht, und damit auch für alle, die investieren. Die Überschwemmungen im Westen Deutschlands mit so vielen Todesopfern sollten ein Weckruf für alle sein: Auch hier im privilegierten Deutschland sind wir betroffen. Ich fürchte, dass diese Naturkatastrophe nur ein Vorgeschmack auf das ist, was noch kommen kann, weltweit. Und das birgt natürlich auch enorme geopolitische Risiken, die sich bisher nur wenige so recht ausmalen wollen. Beispielsweise werden offene militärische Konflikte um den Zugang zu Trinkwasser befürchtet. Wenn es ums Überleben geht, erscheinen Themen wie Zinsen oder Regulierung eher nachrangig.
MICHAEL HOFFMEIERWir investieren bewusst nicht in Aktivitäten, von denen wir meinen, dass sie für Gesellschaft oder Umwelt nachteilig sind. Wir suchen uns solche aus, die wir als ethisch vertretbar erachten. Das hat natürlich auch mit unseren Stiftungszwecken zu tun. Wir wollen Kindern helfen – ohne Erträge aus Kapitalanlagen, die dazu beitragen, dass irgendwo Kinder darunter leiden oder die Welt, in die sie hineinwachsen, lebensfeindlicher wird. Damit fallen bestimmte Geldanlagen aus. Deshalb suchen wir passende Investments, stets verbunden mit der relevanten Frage, was ESG für unsere Anlageentscheidung genau bedeutet und welche Investments als ESG-konform gelten.
MICHAEL HOFFMEIEREs gibt einen Trend zu Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen, und das wird meiner Meinung nach noch wichtiger werden. Und das bietet mittel- und langfristig große Chancen für Geschäftsmodelle und Anlageprodukte. Allerdings ist es schwer zu beurteilen, wie tragfähig etwa ein bestimmter technologischer Trend ist, ob die Bewertungen angemessen sind oder ob es nur einen kurzlebigen Hype gibt. Unternehmen, die zu Anpassungen und echten Innovationen bereit sind, haben häufig gute Karten.
MICHAEL HOFFMEIERDas lässt sich nicht genau beziffern. Ich erwarte aber, dass die Rendite langfristig zumindest nicht schlechter ist als bei einem Portfolio ohne solche Kriterien – aber mit geringerer Volatilität. Ich glaube, dass man mit einer Firma oder einer Kapitalanlage, die ernsthaft Nachhaltigkeit anstrebt, weniger negative Überraschungen erlebt. Die Denkweise ist eine andere als bei rein auf (kurzfristige) Rendite ausrichteten Anlagen – eben eine nachhaltigere.
MICHAEL HOFFMEIERGanz extrem! Vor 20 Jahren wurden nur Staatsanleihen gekauft, mit entsprechenden Vorgaben für Laufzeit, Rating und Streuung. Heutzutage sind wir viel breiter aufgestellt. Im Vergleich zu früher ist unser Portfolio ein bunter Strauß aus Staatsanleihen, Unternehmensbonds, Aktien, Immobilienbeteiligungen und Versicherungen. Und er kann noch bunter werden.
MICHAEL HOFFMEIERZugegeben, in den vergangenen Jahren ist es immer schwerer und unplanbarer geworden, Renditeziele zu erreichen, insbesondere dann, wenn nur auf Anleihen und Festgeld gesetzt wurde. Es kommt aber auf eine gute Streuung an. Zuletzt haben wir Immobilienfonds hinzugenommen. Wir erwarten dadurch eine Verbesserung der Rendite und der Risikostreuung. Aber auch dort schauen wir ganz genau, ob die Fonds und die Zielinvestments zu uns passen, ob sie unsere ESG-Ansprüche erfüllen. Außerdem finden wir Schuldscheindarlehen interessant. Und wir beschäftigen uns – wie etliche andere Stiftungen auch – mit Private Equity.
MICHAEL HOFFMEIERStiftungen sind eben ganz unterschiedlich, auch in ihrer Anlagepolitik. Man vermutet oft eine konservative Attitüde, dass sie beispielsweise mit Aktien nichts zu tun haben wollen. Aber es gibt auch Stiftungen, deren Kapital schon bei Gründung zu 100 % aus Aktien bestand. Es gibt Verantwortliche in manchen Stiftungen, die stur auf einem festen Kupon bestehen, auch wenn dieser negativ ist. Und dann gibt es solche, die sich in Private Equity wagen.
MICHAEL HOFFMEIERUns betrifft das Gott sei Dank nicht in dem Umfang wie Stiftungen, die nur ihr Kapital haben. Das Kapital der Thüringer Stiftung HandinHand reichte allein nicht aus, um die Aufgaben zu erfüllen. Wir bekommen zusätzlich staatliche Mittel, insbesondere von der Bundesstiftung Mutter und Kind und vom Land Thüringen. Und in unserer Satzung gibt es bereits einen Passus, der es uns erlauben würde, auch das Stiftungskapital (zumindest zeitweise) zu mindern, um die Aufgabenerfüllung sicherzustellen, die meines Erachtens Priorität hat.
Daher begrüße ich die Diskussionen dazu. Stiftungen brauchen mehr Flexibilität. Der Daseinszweck einer Stiftung ist ihr Zweck und nicht, dass sie ewig besteht. Es ergibt doch keinen Sinn, auf dem Kapital zu sitzen, wenn die Stiftung nicht mehr arbeiten kann. Und wenn es zur Zweckerfüllung notwendig ist, das Kapital aufzuzehren, dann sollte es die Möglichkeit dazu auch geben.
Hinweise:
ESG=Environment, Social, Governance (zu Deutsch: Umwelt, Soziales, Unternehmensführung)