Future Asset Allocation
Der Tanker steuert um
Versicherer sind die Investorengruppe mit dem größten Anlagevolumen. Eine Anpassung der Asset Allocation kann nicht über Nacht erfolgen. Lesen Sie, welchen Kurs sie verfolgen.
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An Versicherungen werden hochkomplexe regulatorische Anforderungen gestellt, auch in der Kapitalanlage. „Brot- und Buttergeschäft“, sagt Dr. Thomas Mann, Sprecher der Geschäftsführung Ampega Investment GmbH, der Investment-Sparte des Talanx-Konzerns. Doch vor allem volatile Assets sind eine Herausforderung bei der Kapitalanlage. Sachwerte wie Immobilien oder Private Equity stehen indes hoch im Kurs, wie die aktuelle Wealthcap Studie „Future Asset Allocation – Resilienz in der institutionellen Anlage“ zeigt.
Lebensversicherer gehen die Niedrigzinsen von zwei Seiten an
Versicherungen – vor allem Lebensversicherungen – sind die Investorengruppe mit dem größten Kapitalanlagevolumen in Deutschland. Auf das veränderte Kapitalmarktumfeld haben sie auf zwei Seiten reagiert: Erstens haben sie das Produktangebot und die Leistungsversprechen verändert. Seinen Teil dazu beigetragen hat auch der Gesetzgeber, indem er den Höchstrechnungszins, der die Obergrenze für den Garantiezins darstellt, seit Beginn des Jahrtausends von einstmals 4,0 % sukzessive auf nur noch 0,25 % ab Anfang 2022 gesenkt hat. Dies hat jedoch nur Auswirkungen auf das Neugeschäft, nicht auf bestehende Altverträge.
Zweitens haben die Versicherer ihre strategische Kapitalallokation überdacht und schrittweise an die neue Zinssituation angepasst. Sie haben den langsamen Abbau des Exposures in festverzinslichen Wertpapieren, vor allem Staatsanleihen, begonnen und schichten in Aktien und alternativen Anlagen um. Allerdings erfolgt das bei Lebensversicherungen wesentlich langsamer und behutsamer als bei anderen Investorengruppen, wie Versorgungswerken.
„Das hat zum einen regulatorische Gründe“, erklärt Dr. Thomas Mann von der Talanx-Tochter Ampega die vermeintliche Zurückhaltung. „Mit Blick auf die Möglichkeiten von Versorgungswerken bei der Kapitalanlage kann man als Versicherer manchmal neidisch werden. Zum anderen liegt es aber auch in der schieren Größe des Versicherungssektors begründet: So viele Immobilien und andere Real Assets gibt es gar nicht am Markt, als dass diese Portfolios von einem auf den anderen Tag umgeschichtet werden könnten. Das erfordert Zeit.“ Das Bild vom schweren Tanker, der relativ träge auf einen Kurswechsel reagiert, ist also nicht ganz unzutreffend.
Regulierung ist für Versicherungen „Brot- und Buttergeschäft“, aber ein komplexes
Regulierung ist für Versicherungen als institutionelle Investorengruppe ein besonders komplexes Thema. Mit wenigen Ausnahmen müssen Versicherer bei der Kapitalanlage seit 2016 die EU-Solvabilitätsrichtlinie („Solvency II“) beachten. Statt starrer Quoten sehen die Solvabilitätsanforderungen (Solvency Capital Requirements, SCR) vor, dass die Risiken aus der Kapitalanlage jederzeit mit ausreichend Eigenkapital abgepuffert werden und zur Risikotragfähigkeit der unterschiedlichen Versicherungsbereiche passen. „Das schränkt die Möglichkeiten, in volatilere Assetklassen als Fixed Income zu investieren, natürlich ein“, sagt Mann.
„Regulierung stellt für Versicherungen keine große Herausforderung mehr dar“, stellt Kristina Mentzel, Head of Sales bei Wealthcap, mit Blick auf die Umfrageergebnisse1 fest, „mit rund 25 % liegen sie unter dem Durchschnitt.“ Diese unaufgeregte Einschätzung kann Dr. Thomas Mann bestätigen: „Regulierung, von Solvency II über die zahlreichen Berichtspflichten bis zur Vertriebsdokumentation, und die damit verbundene Bürokratie sind aufwendig und ein Kostenfaktor, keine Frage. Aber letztlich ist das für uns Versicherungen ein elementarer Teil des Geschäftsmodells, es ist unser alltägliches Brot- und Buttergeschäft.“ Größere Marktteilnehmer wie der Talanx-Konzern seien angesichts des personellen und IT-Aufwands sogar im Vorteil. „So gesehen stellt der regulatorische Aufwand für uns sogar eine Chance dar“, sagt Mann. Auch an die Niedrigzinsen habe sich die Branche mittlerweile gewöhnt.
1 Frage: Worin sehen Sie für das Investmentportfolio Ihres Unternehmens in den nächsten drei bis fünf Jahren die größten Herausforderungen und Risiken?
Aktienquoten moderat, Immobilienquoten ziehen an
Lebensversicherungen haben in den vergangenen Jahren langsam, aber kontinuierlich ihre Asset Allocation in Aktien und Alternatives erhöht. Bei den Aktien haben sie ihr Exposure zwar deutlich ausgebaut, doch der Aktienanteil an der ebenfalls stark gewachsenen Gesamtallokation ist nur sehr moderat gestiegen.
„Es ist bemerkenswert, dass Versicherungen bis 2020 weder in absoluter Höhe noch als Anteil der Gesamtallokation das Niveau von vor der Finanzkrise 2007 erreicht haben“, kommentiert Kristina Mentzel. Mit rund 5 % ist das Exposure zudem niedriger als bei Pensionskassen oder Versorgungswerken. Jede sechste Lebensversicherung hat gar keine Aktien im Portfolio. „Auch wenn regulatorisch bedingt volatile Investments tendenziell gemieden werden, ist diese Zurückhaltung vieler Häuser erstaunlich“, findet Mentzel.
Ebenfalls langsam und kontinuierlich ist die Immobilienquote unter den Lebensversicherungen gestiegen. Sie lag Ende 2020 mit etwas 6 % auf einem historischen Höchststand und sogar über der Aktienquote, die 2020 leicht abgesenkt wurde. Allerdings liegen die Versicherer damit noch deutlich hinter anderen Investorengruppen zurück. Dasselbe gilt für Alternative Assets (ohne Immobilien), die 2020 einen Anteil von rund 5 % erreicht haben.
Bei diesem eher vorsichtigen Kurs wird es voraussichtlich bleiben, denn 41 % der in der Civey-Umfrage befragten Lebensversicherer wollen das Immobilien-Exposure stabil halten, 22 % wollen es ausbauen – damit äußern sie sich zurückhaltender als andere Investorengruppen. Überproportional groß hingegen ist das Interesse an Private Equity und Private Debt, die für 32 % beziehungsweise 8 % als besonders interessant im Bereich der illiquiden Real Assets eingewertet werden.
Insgesamt wollen Versicherungen ihren Anteil an illiquiden Sachwerten weiter ausbauen, darunter Immobilien, Private Equity, Infrastruktur und Erneuerbare Energien. „Das kann ich für unser Haus nur bestätigen“, sagt Dr. Thomas Mann. „Neben Immobilien haben wir vor allem Infrastruktur im Fokus. Wir schätzen die relativ geringe Volatilität und die stabilen Cashflows. Bei beiden Themen fahren wir zweigleisig, das heißt, wir investieren sowohl direkt in entsprechende Objekte als auch indirekt über Fonds.“
Fondsstrukturen liegen im Trend
„Insgesamt werden indirekte Investments für Versicherungen wichtiger. Das bestätigt unsere Datenanalyse“, sagt Mentzel. Gerade im Immobilienbereich hat sich der Anteil von Fondsinvestments gegenüber Direktinvestments stark erhöht (siehe Grafik). In der Civey-Umfrage gab mehr als die Hälfte der befragten Lebensversicherer an, resiliente Real-Assets-Investments bevorzugt über Fondsstrukturen (offen, geschlossen, Dachfonds) zu tätigen. Ein hoher Wert im Vergleich zu anderen Investorengruppen.
Dr. Thomas Mann begründet: „Mit dem höheren Sachwert-Anteil hat die institutionelle Kapitalanlage deutlich an Komplexität gewonnen, sei es in der Marktfolge, im Risikomanagement oder im Reporting. Es handelt sich dabei um Prozesse, die früher typisch für eine finanzierende Bank waren, aber nicht für einen institutionellen Investor. Aber nicht jeder Marktteilnehmer kann die notwendige Expertise intern abdecken. Fondsstrukturen können dabei helfen.“