Wealthcap Future Lab
„Mangelnde Fantasie als größte Hürde“
Welchen Impact hat das Action-Field #LIVABLE CITIES auf die Stadt und Immobilie von morgen? Dazu hat das Future Lab mit einigen Experten gesprochen.
Inhalt der Studie
Das Future Lab, eine von Wealthcap ins Leben gerufene Denkfabrik, sucht nach Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit. Julia Erdmann, Gründerin von JES, bereichert die Expertenrunde: Als Architektin und Stadtgestalterin befasst sie sich täglich mit ganzheitlichen Lösungen rund um die Themen Stadt- und Quartiersentwicklung. Gemeinsam mit Raphael Gielgen, Trendscout beim Möbelhersteller Vitra, spricht sie über eine verantwortungsvolle Stadtentwicklung.
Wealthcap Future Lab - Shark Session mit Julia Erdmann von JES Socialtecture
Das Future Lab, eine von Wealthcap ins Leben gerufene Denkfabrik, sucht nach Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit. Julia Erdmann, Gründerin von JES, bereichert die Expertenrunde: Als Architektin und Stadtgestalterin befasst sie sich täglich mit ganzheitlichen Lösungen rund um die Themen Stadt- und Quartiersentwicklung. Gemeinsam mit Raphael Gielgen, Trendscout beim Möbelhersteller Vitra, spricht sie über eine verantwortungsvolle Stadtentwicklung.
Die menschliche Perspektive ist das A und O. Damit ein Ort Lebensqualität für uns Bewohner:innen schafft, müssen unsere Bedürfnisse im Vordergrund stehen – und zwar von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt. Faktisch stehen aber die rein baulichen, technischen und finanziellen Aspekte im Vordergrund. „Erst wenn Projektentwickler und Stadtplaner dem Menschlichen, dem Kulturellen und dem Natürlichen Gehör schenken und bauliche Strukturen entsprechend anpassen, kann gutes Zusammenleben gelingen“, ist sich Erdmann sicher. „Die Verlinkung zum eigenen Leben ist der Schlüssel. Das heißt, sich die Frage zu stellen, ob ich selbst hier gerne leben und arbeiten würde, ob diese Immobilie und Umgebung mich glücklich und gesund hält.“
Wer ein Quartier entwerfen will, das den Ansprüchen der Menschen wirklich Rechnung trägt, muss eine Vielzahl an Perspektiven berücksichtigen: „Am effektivsten ist ein Team mit Expert:innen aus Architektur, Stadtplanung, Soziologie sowie Kommunikation und Kulturmanagement.“ Erdmann hat eine solche ganzheitliche Lösung entwickelt, die sie als „Socialtecture“ bezeichnet – die Verknüpfung von Social Life und Architecture. „Das Wissen darüber, wie wir Menschen ticken, sollte der Ausgangspunkt für jegliche räumliche Gestaltung sein. Der Schlüssel ist: Vom Leben aus denken“, meint sie. Rein funktionale Immobilien führen nicht zu einem lebenswerten Quartier.
„Für Livable Cities reicht der Blick auf Bonität und Track-Record nicht aus“
Aktiv auf Menschen zuzugehen und auf die Begebenheiten vor Ort zu achten, verlangt der Planung einiges ab: „Eine Livable City lässt sich nicht durch das Abhaken einer Checklist herstellen. Hier sind individuelle Lösungen gefragt“, hält Erdmann fest. Innerhalb jeder Branche folgen die Prozesse stets altbekannten Mustern. „Umdenken und diese Muster durchbrechen, ist ein sehr dickes Brett“, so Erdmann. Die mangelnde Vorstellungskraft sei eine Hürde. „Wir argumentieren meist mit dem, was wir bereits kennen. Dabei sollten wir die Frage ‚Was wäre, wenn …?‘ ergebnisoffen diskutieren“, rät Erdmann. Für Projektentwickler ist das eine Gratwanderung – die Verantwortung für risikoaverse Geldgeber auf der einen Seite und Offenheit für neue Gestaltungsmöglichkeiten auf der anderen Seite. „Ohne Haltung geht es nicht“, glaubt Erdmann. „Lebenswert sind Quartiere, die Wohlbefinden und Wohlstand der Bewohner:innen ermöglichen. Werden primär die finanziellen Aspekte betrachtet, tritt das Gegenteil ein: Wir Endnutzer sind dann ganz schnell einem räumlichen Umfeld ausgeliefert, das ungesund, ungerecht und unsozial ist.“ Denn Immobilien seien heute oftmals nur „Finanzprodukte, in denen zufällig auch Menschen leben und arbeiten.“ Für die Neupositionierung einer Bestandsimmobilie heißt das beispielsweise: Warum nicht einem lokalen, inhabergeführten Geschäft eine Erdgeschossfläche geben statt einem vermeintlich sicheren Filialisten? „Wollen wir langfristig erfolgreiche Orte schaffen, reicht ein Blick auf Bonität und Track-Record nicht aus“, so Erdmann.
„Stadt ist Permanent Beta. Unser Leben ist Permanent Beta.“
„Coole Möbel allein machen noch keinen Innovationsraum“, findet Erdmann. Innovation gehe immer von Menschen aus, der Raum selbst sei zu Beginn Nebensache. Fortschrittliche Geschäftsideen entstehen sowieso eher im Wald, an der Bar oder in der legendären Garage. „Worauf Räume allerdings sehr wohl Einfluss nehmen, ist die Weiterentwicklung dieser Idee, dass sie sich stets verbessert, neue Menschen begeistert und weiterwächst“, so Erdmann. Dazu ist Flexibilität notwendig: Dass eine Büroimmobilie ewig eine Büroimmobilie bleibt, ist nicht mehr up-to-date. Die Kreativwirtschaft macht es vor: Häufig ziehen ihre Unternehmen in alte Räume und gestalten diese dann selbst um. „In unseren Köpfen ist verankert, dass eine Immobilie für einen Zweck entworfen und gebaut wird“, so Erdmann. „Dabei sollten wir für Permanent Beta entwickeln“, fordert sie. „Stadt ist Permanent Beta. Unser Leben ist Permanent Beta.“ Wie geht das? Mit dem richtigen Maßstab: Nicht noch mehr große Monostrukturen bauen, sondern mit kleinen, kombinierbaren Flächen und vielfältigen Nutzungen einen „gebauten Mischwald“ schaffen!
Definition Action-Field: Livable Cities
Mit dem anhaltenden Wachstum der Metropolen wächst die Sehnsucht der Menschen nach lebenswerten Städten. Die Grundlage einer lebenswerten Stadt ist nicht allein eine funktionierende Infrastruktur. Es ist insbesondere eine menschenzentrierte Stadt, die Gesundheit und Wohlbefinden aktiv fördert sowie ressourcenschonend, zugänglich, inklusiv und begehrenswert ist.
Irgendwann war es den Menschen zu teuer, zu voll, zu eng, zu laut und zu wenig authentisch, es mangelte an Vielfalt. Gefragt sind Lebensweisen, die näher am Menschen und seinen Grundbedürfnissen sind – und die dazu passenden Lebensräume.
Das Leben von morgen findet in den Quartieren statt, mit kurzen Wegen, viel Grün und bunter Vielfalt. Auch die Bewohner:innen sind vielfältig, und dies ist die Grundlage für ein erfülltes Zusammenleben. Die Bewohner:innen fühlen sich ihren Quartieren zugehörig. Ihr Lebensmittelpunkt ist die Nachbarschaft. Die räumliche Vielfalt ist die Grundlage für eine gesellschaftliche Vielfalt. Die Grenzen zwischen Wohnen, Arbeiten, Leben und öffentlichem Raum lösen sich auf.