Wealthcap Future Lab
„Think Big – die ganze Stadt wird zum Büro“
Welchen Impact hat das Action-Field #WORK FROM ANYWHERE auf die Stadt und die Immobilie von morgen? Dazu hat das Future Lab mit Jonas Haberkorn von Builtworld gesprochen.
Inhalt der Studie
Urbanisierung und Klimawandel stellen die Immobilienbranche vor große Aufgaben. Um die Fragen von morgen schon heute zu diskutieren, hat Wealthcap das „Future Lab“ entwickelt: eine Expertenplattform, die sich mit aktuellen Trends auseinandersetzt. Jonas Haberkorn, Director bei Builtworld, erzählt im Gespräch mit Raphael Gielgen, Trendscout beim Möbelhersteller Vitra, wie sich das Prinzip der „Work from anywhere“-Mentalität auf die Städte der Zukunft als innovative und lebensfreundliche Hotspots auswirkt.
Wealthcap Future Lab - Shark Session mit Jonas Haberkorn von Builtworld
Jonas Haberkorn, Director bei Builtworld, erzählt im Gespräch mit Raphael Gielgen, Trendscout beim Möbelhersteller Vitra, und Sonja Straubinger von Wealthcap, wie sich das Prinzip der „Work from anywhere“-Mentalität auf die Städte der Zukunft als innovative und lebensfreundliche Hotspots auswirkt. Und welche Herausforderungen es für die Immobilienwirtschaft in den Städten der Zukunft gibt.
Immobilien brauchen eine neue Intelligenz
Permanent Beta ist in der heutigen Zeit ein wichtiger Ansatz. Damit gemeint ist ein andauernder Wandel in immer kürzeren Innovationszyklen. Permanent Beta steht für Produkte und Prozesse, die sich stetig weiterentwickeln und sich schnell verändern.
Das lässt sich auch auf Gebäude übertragen. Der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft von Büroimmobilien liegt in der ständigen Weiterentwicklung von Ideen. „Wir dürfen Immobilien nicht mit einer starren Vision entwickeln, sondern müssen wesentlich offener denken. Dazu bedarf es eines neuen Pragmatismus und neuer Arbeitswelten in kleinen Teams“, so Haberkorn. „Wir müssen eine neue Intelligenz für mehr Situationsbewusstsein entwickeln.“
Damit Ideen sich ständig weiterentwickeln können, braucht es Input von verschiedenen Seiten und die Fähigkeit, neue Informationen zur kollektiven Wissensbildung und Entscheidungsfindung zu nutzen. Die beteiligten Akteure müssen auf die Gestaltung ihrer Arbeitsumgebung Einfluss nehmen und Immobilien als Kreativorte und Innovationstreiber nutzen können. In einer idealen Permanent Beta-Umgebung dient die Immobilie als adaptive und CO₂-arme Hardware, die Software, sprich die jeweilige Nutzung, durchläuft einen ständigen Entwicklungsprozess. Haberkorn nennt dazu neue Space-as-a-Service Modelle wie CoWorking, digitale Erlebnisstores oder Ghost Kitchens als Beispiele: „Mit Flexibilität gelingt Permanent Beta.“
Das Motto lautet „Remote First“
„Es hat sich eine ‚Work from anywhere‘-Mentalität etabliert“, meint Haberkorn. „Besonders jüngere Generationen suchen Arbeitgeber mit Homeoffice- und Remote-Option.“ Büroimmobilien müssen sich deshalb auf Veränderungen einstellen. „Das Motto der 2020er-Jahre lautet ‚Remote First.‘ Büros werden also nicht verschwinden, sondern statt festen Arbeitsplätzen eher Raum für intelligente Kollaboration bieten“, führt Haberkorn aus. „Die Büroflächen, die wir nutzen, sind auf Kreativarbeit und gemeinsame Workshops ausgelegt. Daraus ziehen sie ihren Mehrwert.“
In der Arbeitswelt von morgen wird die gesamte Stadt zum Büro: Asynchrones Arbeiten und ein Aufbrechen des Meeting-Wahnsinns machen es möglich. Dass weniger Menschen zum Arbeitsort pendeln, hat auch positive Effekte: weniger Emissionen, weniger Lärmbelastung, mehr Zeitersparnis und auch die psychische Belastung durch lange Pendelzeiten nimmt ab. „Für Büroimmobilien braucht es deshalb flexiblere Mietverträge, kreative Räumlichkeiten und mehr inspirierende Flächen – wie Kaffeebars, Loungeecken oder auch Entspannungs- und Sportflächen“, erklärt Haberkorn. Büroimmobilien, die ihr Flächenangebot um weitere Nutzungsarten wie Einzelhandel, Hotel, Healthcare, Wohnen oder Kunst und Kultur anreichern und sich der Öffentlichkeit öffnen können, zählen zu den Gewinnern. Wir müssen angesichts der Weltlage auch über lokale, kleinteilige Produktion in der Stadt sprechen. Offenes, mehrdimensionales Mixed-Use lautet die Devise.
In der Natur gibt es keinen Abfall
„Müll entsteht durch Menschen“, stellt Haberkorn fest. Für ihn ist damit klar: Wollen wir nachhaltig leben, müssen wir in der Immobilienbranche Müll vermeiden. „Es braucht eine andere Art von Wachstum. Unser jetziges Konsumverhalten produziert tonnenweise Abfall“, so Haberkorn. Für die Immobilienbranche heißt das weniger Flächenversiegelung, weniger Abriss und das kritische Hinterfragen von Neubauprojekten. „Bisher haben wir zu wenig über die Zirkularität auf Gebäudeebene gesprochen. Das betrifft Herstellung, Errichtung, Betrieb und Wiedernutzung im Sinne der Gebäudeökobilanz. Die Immobilie der Zukunft muss weitestgehend rückbaufähig sein“, sagt Haberkorn. Der Luisenblock im Berliner Regierungsviertel, gebaut im Modulbau von Kaufmann Bausysteme, zeige pragmatisch, was mit einer nachhaltigen und modularen Bauweise in kurzer Zeit möglich ist. Ein wichtiger Faktor sind Abbruchunternehmen: Eine echte Circular Economy bezieht alle Akteure mit ein. Hier muss ein stärkerer Dialog über neue Technologien, Geschäftsmodelle und Kooperationen stattfinden.
Wir brauchen eine Zukunft, an die wir glauben können
Unsere Städte sind für die Bürgerinnen und Bürger gebaut, dabei wird diese Gruppe bei der Planung zu selten berücksichtigt. „Wir wissen schlicht zu wenig darüber, wie Placemaking funktioniert, deshalb müssen wir mit den Menschen vor Ort in den Dialog treten“, so Haberkorn. „Next City Societies“ entstehen nur in der ganzheitlichen Betrachtung existierender Systeme. Die Zeiten, in denen Architekten auf eine große Vision hinarbeiten, sind vorbei: Städte, die auf dem Reißbrett geplant werden, funktionieren in der Praxis nicht. Sie müssen sich stärker an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger orientieren. „Wir denken noch zu sehr in veralteten Mustern, diese müssen wir aufbrechen. Das fängt bereits bei der Ausbildung an. Spezialisierungen nützen wenig, wenn wir den Blick für das große Ganze und die nächsten Generationen verlieren“, erklärt Haberkorn. Damit Placemaking und „Next City Societies“ eine Chance haben, muss die Immobilienbranche die Lebensrealität in den Städten stärker berücksichtigen und aktiv am gemeinschaftlichen Wohlbefinden in Zeiten zunehmender Urbanisierung und Klimaanpassung arbeiten.
Definition Action-Field: Work from Anywhere
Die Firmenzentrale hat das Monopol auf die Wissensarbeit verloren. Zukünftig konkurrieren viele gute physische Orte um die Gunst der Wissensarbeiter:innen. Die ganze Stadt wird zum Büro. Das große gesellschaftliche Experiment der „Heimarbeit“ ist gelungen, wobei dies nicht die eigene Wohnung sein muss, sondern auch das Lieblingscafé sein kann. Die Menschen wollen das Beste aus beiden Welten in einer hybriden und flexiblen Arbeitswelt miteinander kombinieren.
Vor der Pandemie verschwendeten die Menschen in Deutschland im Schnitt jedes Jahr insgesamt sieben Tage mit der Pendelei zwischen Wohn- und Arbeitsort. Um dann den Großteil des Tages vor dem Bildschirm zu sitzen. Die gesellschaftliche Akzeptanz für einen Aufbruch in eine neue Arbeitswelt ist mehr als gegeben, Arbeitnehmer:innen wünschen und erwarten größere Flexibilität. Neben internen Akteur:innen (wie Vorstandsebene, HR, IT, Betriebsrat) gestalten auch externe Akteur:innen (wie Politik, Gewerkschaften, Thinktanks) Wissensarbeit neu. Der Druck steigt zusätzlich durch den enormen Fachkräftemangel in allen Sektoren.
Die Stadt ist das Eco-System der Arbeit. Büros, Co-Working-Spaces, Hotels, Cafés und der öffentliche Raum sind das vielfältige Raumangebot für „Work from Anywhere“. Die Assetklasse Büro ist in Bezug auf die künftigen Herausforderungen neu zu denken. Es gibt vielfältige Potenziale der Aufwertung und der Nutzungsakzeptanz, weit über die alte Form des Büros hinaus – bis zu „Office as a Service“.