Interview mit Dr. Aristidou
„Jetzt rückt der reale Werterhalt in den Fokus“
Das Marktumfeld hat sich in den vergangenen anderthalb Jahren radikal verändert. Alternative Assets bleiben wichtig, doch die Kriterien verschieben sich, sagt Dr. Aris Aristidou von der HypoVereinsbank im Interview.
Inhalt der Themenreihe
Dr. Aris Aristidou steht als Head of Wealth Management Professional Clients bei der HypoVereinsbank in direktem Austausch mit institutionellen und semi-professionellen Investoren. Im Interview verrät er, weshalb die Profi-Investoren nach dem Ende der Niedrigzinsphase trotzdem in Alternative Assets wie Private Equity oder Private Real Estate investiert bleiben – und bleiben sollten. Zudem ordnet er die Erkenntnisse unserer aktuellen Themenreihe „Alternatives in der Zeitenwende“ ein.
Herr Dr. Aristidou, mal Hand aufs Herz: Haben Sie die aktuelle Gemengelage, bestehend aus Krieg, Inflation und gestiegenen Zinsen, vor zwei oder drei Jahren kommen sehen?
Nein, natürlich nicht. Jedenfalls nicht in dieser konkreten Ausprägung. Dass die Niedrigzinsphase auch einmal enden würde, war allerdings schon immer im Bereich des Denkbaren. Ebenso, dass ein starker Nachfrageschub, der nach dem Ende der Corona-Pandemie auf ein eingeschränktes Angebot treffen würde, für Preissteigerungen in bestimmten Branchen sorgen dürfte. Aber es ist letztlich das Wesen von Krisen, dass man sie nicht mit Exaktheit vorhersehen kann. Am Ende sagt es sich immer leicht, man habe alles genau so kommen sehen. Das deckt sich aber nur in den seltensten Fällen mit der Realität.
Auch die meisten Investoren haben diese Entwicklungen so nicht vorausgesehen, wie unsere Portfolioanalyse für die vergangenen 20 Jahre zeigt. Zu sehen ist auch, dass Alternative Investments Investoren bei ihrer Asset Allocation in Private Equity bzw. Private Real Estate erst mit deutlicher Verzögerung auf Krisen reagieren. Ist das auch dieses Mal der Fall?
Es dauert immer ein bisschen, bis institutionelle Investoren ihre Portfolioallokation an ein verändertes Umfeld anpassen – sofern das überhaupt erforderlich oder ratsam ist. Das ist auch dieses Mal so, wobei es sogar relativ schnell ging, dass Investoren bei der Neuanlage in Private Real Estate auf die Bremse getreten sind. Hintergrund war in vielen Fällen der zeitweise starke Wertrückgang bei liquiden Assets, also Aktien und Anleihen, der rein rechnerisch zu einem Anstieg der Immobilienquoten im Portfolio geführt hat. Hinzu kommt, dass viele Investoren erstmal eine abwartende Haltung einnahmen, um die weitere Preisentwicklung am Immobilienmarkt zu beobachten. Dieser Knoten dürfte sich aber bald lösen.
Was sind derzeit die bevorzugten Assetklassen institutioneller Investoren? Was erfahren Sie in Ihren Gesprächen mit den Investoren? Hat sich daran zuletzt etwas geändert und welche Bedürfnisse sollen und müssen die präferierten Assetklassen spielen?
Die Rückkehr des Zinses und der Volatilität hat aktuell zu einer gewissen Skepsis gegenüber vielen Assetklassen geführt. Zumal es ja sogar für Bankeinlagen wieder eine nennenswerte Verzinsung gibt. Das ist aber nur eine Momentaufnahme, den meisten Investoren ist klar, dass auch vor dem Hintergrund gestiegener Zinsen kein Weg an einer breiten Diversifizierung der Portfolioallokation vorbeiführt. Das schließt unbedingt auch Private Equity und Private Real Estate mit ein, die das Potenzial haben, langfristige Stabilität ins Portfolio zu bringen. In der Niedrigzinsphase war das Erzielen auskömmlicher Cashflows das stärkste Bedürfnis und zugleich die größte Herausforderung. Jetzt rückt der langfristige reale Werterhalt stärker in den Fokus. Private Equity und Immobilien können beides leisten.
Gesunkene Preisniveaus sind wohl eher ein günstiger Moment zum Ein- als zum Ausstieg
Dr. Aris AristidouHead of Wealth Management Professional Clients, HypoVereinsbank
Private Equity hat sich in vergangenen Krisen als weniger volatil erwiesen als andere Assetklassen, vor allem als liquide Assets. Aber bedeutet das auch, dass Alternatives resilienter gegenüber einem Umfeld wie dem jetzigen sind?
Natürlich ist auch Private Equity nicht frei von Risiken. Aber die starken (und oftmals übertriebenen) Kursschwankungen an den Börsen finden dort nicht statt. Hinzu kommt, was wir schon häufig beobachtet haben und was auch durch Studien erhärtet wird: Private Equity hat in jedem Marktumfeld ein Outperformance-Potenzial gegenüber liquiden Assets – der jedoch in schwierigeren Marktphasen besonders groß ausfällt. Private Equity ist mithin kein reines „Schönwetter“-Investment. Das zeigt sich auch aktuell.
Welche Rolle können Alternative Investments, wie Private Equity oder Private Real Estate, in einem breit diversifizierten Portfolio spielen?
Eine Beimischung mit Private Equity und Private Real Estate kann und sollte vor allem einen Stabilitätsfaktor darstellen. Hinzu kommt das Potenzial zur Performance-Steigerung. Gerade im aktuellen Umfeld kommt aber noch ein weiterer Faktor zum Tragen: langfristiger Inflationsschutz und damit der dauerhafte reale, also inflationsbereinigte Werterhalt des Anlagevermögens. Speziell bei Immobilien passen sich erfahrungsgemäß bei langfristiger Betrachtung die Mieten an die allgemeine Preisentwicklung an. Zudem erlauben Immobilien auch die Hebung von Wertsteigerungspotenzial durch aktive Asset-Management-Maßnahmen wie zum Beispiel energetische Sanierungen oder Repositionierungen.
Was raten Sie derzeit den Investoren, vor allem in Bezug auf Alternative Investments? Einfach weitermachen wie bisher? Lieber auf die Bremse treten – oder sogar aktiv abbauen? Oder im Gegenteil, jetzt erst recht in Private Equity bzw. Private Real Estate gehen?
Ich rate ganz unabhängig von der jeweiligen Zyklusphase stets zu einem kontinuierlichen Portfolioaufbau. Dadurch gleichen sich Preisschwankungen bei den Einstiegspreisen automatisch aus. Das liefert unserer Erfahrung nach langfristig auch die besten Ergebnisse. Wer sich dennoch vom Marktgeschehen treiben lassen will, dem sei gesagt: Gesunkene Preisniveaus sind wohl eher ein günstiger Moment zum Ein- als zum Ausstieg.