Immo­bilien
Ar­ti­kel • 2020-11-11

Das In­ves­to­ren­ver­hal­ten und die Rol­le von Real Assets in der Co­ro­na-Pan­de­mie

„Am In­vest­ment­stil hat sich nichts ge­än­dert…“

„…vie­le ha­ben so­gar in der Co­ro­na-Kri­se in­ves­tiert“, so Dr. Phil­ip Gis­da­kis von der Hypo­Vereinsbank im In­ter­view. Le­sen Sie, wo wir ste­hen, wie es wei­ter geht und wel­che Rol­le Real Assets spie­len.

Le­se­zeit: 7 Mi­nu­ten
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Die Co­ro­na-Pan­de­mie geht im No­vem­ber 2020 in ihre zwei­te Wel­le. Wo ste­hen wir und wel­che Rich­tung schlägt die Kon­junk­tur ein? Wie re­agie­ren ne­ben in­sti­tu­tio­nel­len In­ves­to­ren die se­mi­pro­fes­sio­nel­len Ka­pi­tal­an­le­ger wie Fa­mi­ly Of­fices und ver­mö­gen­de Pri­vat­an­le­ger? Wir spre­chen mit Dr. Phil­ip Gis­da­kis, Chef­an­la­ge­stra­te­ge (CIO) Wealth Ma­nage­ment und Private Ban­king bei der Hypo­Vereinsbank.

Herr Dr. Gis­da­kis, die Gret­chen­fra­ge in die­sen Co­ro­na-Zei­ten lau­tet: Wie be­ur­tei­len Sie die ak­tu­el­le Si­tua­ti­on und wie wird sich die Ge­samt­wirt­schaft Ihrer Er­war­tung nach in den kom­men­den Mo­na­ten ent­wi­ckeln?

Dr. Phil­ip Gis­da­kis: Mit Aus­bruch der Pan­de­mie hat­ten wir ei­nen schar­fen Kon­junk­tur­ein­bruch wie seit der Gro­ßen De­pres­si­on im Jahr 1929 nicht mehr er­lebt. An­schlie­ßend setz­te in den Som­mer­mo­na­ten eine er­staun­lich schnel­le Er­ho­lung ein. Mit der zwei­ten Wel­le der Pan­de­mie scheint sich die­ses po­si­ti­ve Mo­men­tum wie­der zu dre­hen, die an­fäng­li­che Er­ho­lungs­pha­se ist so­mit nicht li­ne­ar fort­schreib­bar. Ein­deu­tig spür­bar ist je­den­falls der geld- und fis­kal­po­li­ti­sche Sti­mu­lus, der unsere Wirt­schaft bis­lang vor dem Schlimms­ten be­wahrt hat.

Wie be­ur­tei­len Sie die Si­tua­ti­on an den Fi­nanz­märk­ten, be­son­ders an den Bör­sen?

Dr. Phil­ip Gis­da­kis: Die Un­ter­stüt­zung von geld- und fis­kal­po­li­ti­scher Sei­te wird über ei­nen sehr lan­gen Zeit­raum an­hal­ten. Da­mit blei­ben die Zin­sen wei­ter­hin sehr nied­rig und die Li­qui­di­tät im Markt hoch. Auch wenn sich die Kur­se nach den pa­ni­schen Re­ak­tio­nen im Früh­jahr in­zwi­schen wie­der er­holt ha­ben: Die Si­tua­ti­on Ende Ok­to­ber zeigt ein­deu­tig, dass wie­der sehr viel mehr Vo­la­ti­li­tät an den Ak­ti­en­märk­ten be­steht.

An der Bör­se wer­den die Ge­winn­erwar­tun­gen ge­han­delt, und zwar nicht die kurz­fris­ti­gen Schät­zun­gen, die erst zeit­ver­zö­gert von den Ana­lys­ten an­ge­passt wer­den, son­dern die Pro­gno­sen für 2021 und 2022. Hier­bei muss man dif­fe­ren­zie­ren. Nicht alle Ver­lus­te aus der Co­ro­na-Zeit wer­den sich auf­ho­len las­sen, wäh­rend an­de­re Un­ter­neh­men kaum be­trof­fen sind.

Die gute Nach­richt lau­tet, dass die Un­ter­neh­men in den zu­rück­lie­gen­den gu­ten bis sehr gu­ten Jah­ren gro­ße Li­qui­di­täts- und Ei­gen­ka­pi­tal­pols­ter auf­ge­baut ha­ben. Hin­zu kommt die staat­li­che Un­ter­stüt­zung. Die Über­le­bens­chan­cen für die meis­ten Un­ter­neh­men ste­hen also gut. Und falls nicht, ha­ben auch die Ban­ken aus­rei­chend Rück­stel­lun­gen für ei­nen mo­de­ra­ten An­stieg des In­sol­venz­ge­sche­hens. Lang­fris­tig wird sich die Fra­ge stel­len, ob die Un­ter­neh­men trag­fä­hi­ge Ge­schäfts­mo­del­le ha­ben und zu­künf­tig (wie­der) Geld ver­die­nen kön­nen.

Die Im­mo­bi­li­en­märk­te ha­ben sich bis­lang als kri­sen­re­sis­tent er­wie­sen, von Aus­nah­men wie dem Non-Food-Ein­zel­han­del, der Ho­tel­le­rie und ei­ni­gen an­de­ren Spe­zi­al­im­mo­bi­li­en ein­mal ab­ge­se­hen. Ist die­se Sta­bi­li­tät nur eine Mo­ment­auf­nah­me, die bald re­vi­diert wer­den muss, oder fun­da­men­tal be­grün­det?

Dr. Phil­ip Gis­da­kis: Auch hier hängt die Sta­bi­li­tät nicht zu­letzt an der Geld- und Fis­kal­po­li­tik und wei­te­ren Ge­gen­maß­nah­men, wel­che den Durch­schlag der Pan­de­mie auf die Bran­che ab­ge­fe­dert ha­ben. Doch das ist nicht der ein­zi­ge Grund: Grund­sätz­lich ist die Nach­fra­ge vor al­lem nach Wohn‑, aber auch nach Ge­wer­be­im­mo­bi­li­en hoch. Auch In­ves­to­ren sind wei­ter­hin auf der Su­che nach ren­ta­blen und ver­gleichs­wei­se si­che­ren Ka­pi­tal­an­la­gen wie Immo­bilien.

Wel­che struk­tu­rel­len Aus­wir­kun­gen die Pan­de­mie lang­fris­tig ha­ben wird, muss sich erst noch zei­gen. Man­che Trends wie bei­spiels­wei­se das Re­mo­te-Working gab es ja schon vor­her, im Hypo­Vereinsbank Tower hier in Mün­chen ha­ben wir Smart-Working schon vor Jah­ren ein­ge­führt. Sol­che Trends wer­den durch die Kri­se nur be­schleu­nigt. Wahr­schein­lich wer­den die Qua­li­täts­an­sprü­che an die Flächen noch stei­gen – auch bei Woh­nun­gen, wenn die Men­schen künf­tig auch dau­er­haft mehr von Zu­hau­se ar­bei­ten.

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Wealth­cap Talk

Das In­ves­to­ren­ver­hal­ten und die Rol­le von Real Assets in der Co­ro­na-Pan­de­mie

„Wie steht es um die Wirt­schaft in Co­ro­na-Zei­ten? Wie geht es wei­ter? Und wel­che Aus­wir­kun­gen hat die ge­samt­wirt­schaft­li­che Si­tua­ti­on auf Real Assets, also Sach­wer­te wie Im­mo­bi­len oder Private Equity? Wel­che Rol­le kön­nen die­se in ei­nem Port­folio spie­len? Im Wealth­cap Talk mit Son­ja Strau­bin­ger er­läu­tern die Ex­per­ten ihre Ein­schät­zung: Dr. Phil­ip Gis­da­kis, Chef­an­la­ge­stra­te­ge für das Wealth Ma­nage­ment und Private Ban­king der Hypo­Vereinsbank Se­bas­ti­an Zeh­rer, Lei­ter Re­se­arch bei Wealth­cap“

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Sie sind bei der Hypo­Vereinsbank un­ter an­de­rem für die The­men Wealth Ma­nage­ment und Private Ban­king zu­stän­dig. Fa­mi­ly Of­fices und ver­mö­gen­de Pri­vat­an­le­ger ge­hö­ren zu Ihren Stamm­kun­den. Wel­che Rol­le kön­nen Real Assets – also Sach­wert-Investments wie Immo­bilien, Private Equity oder In­fra­struk­tur – für die Ka­pi­tal­an­la­ge die­ser Kun­den spie­len?

Dr. Phil­ip Gis­da­kis: Ganz all­ge­mein ge­spro­chen kön­nen lang­fris­ti­ge Investments wie Real Assets dann eine wich­ti­ge Rol­le im Port­folio über­neh­men, wenn es sich um sehr lan­ge Zeit­ho­ri­zon­te der Anleger han­delt. Mit Sach­wer­ten las­sen sich Wert­schwan­kun­gen und Ren­di­te­er­war­tun­gen im Port­folio sta­bi­li­sie­ren.

Al­ler­dings sind ge­ra­de ver­mö­gen­de Un­ter­neh­mer­fa­mi­li­en häu­fig be­reits lang­fris­tig und stra­te­gisch in­ves­tiert, wenn näm­lich ihr Ver­mö­gen zu ei­nem gro­ßen Teil im ei­ge­nen Be­trieb ge­bun­den ist. Zu­dem ist oft­mals das di­rekt ge­hal­te­ne Im­mo­bi­li­en­ver­mö­gen sol­cher Fa­mi­li­en tra­di­tio­nell groß. Bei der dar­über hin­aus ge­hen­den Ka­pi­tal­an­la­ge ist des­halb die Li­qui­di­tät ein wich­ti­ges Kri­te­ri­um. Li­qui­de Assets – also vor al­lem Wert­pa­pie­re – wer­den dann über­ge­wich­tet. Bei an­de­ren Sach­wer­ten be­ob­ach­te ich ei­nen Trend zu Private Equity und In­fra­struk­tur. Letzt­lich sind Fa­mi­ly Of­fices sehr indivi­duell, pau­scha­li­sie­ren fällt des­halb schwer.

Es gibt also si­gni­fi­kan­te Un­ter­schie­de zu in­sti­tu­tio­nel­len In­ves­to­ren wie Ver­si­che­run­gen, Ver­sor­gungs­wer­ken oder auch Stif­tun­gen?

Dr. Phil­ip Gis­da­kis: Ja, ganz ge­nau. Zwar sind auch die in­sti­tu­tio­nel­len In­ves­to­ren zu­meist sehr lang­fris­tig ori­en­tiert. Li­qui­di­tät ist al­ler­dings we­ni­ger ent­schei­dend. Sie set­zen auf Sach­wer­te zur Port­fo­lio­sta­bi­li­sie­rung und zur Ge­ne­rie­rung mög­lichst ver­läss­li­cher Cash­flows. Zu­dem steht Di­ver­si­fi­zie­rung im Fo­kus, es gibt ja zu­meist kein Ein­zel-Ex­po­sure in ein grö­ße­res Be­triebs­ver­mö­gen. Und zu gu­ter Letzt sind die In­sti­tu­tio­nel­len viel strik­ter re­gu­liert. Stif­tun­gen spie­len ein we­nig eine Son­der­rol­le.

Wie agie­ren die Fa­mi­ly Of­fices und die grö­ße­ren Pri­vat­ver­mö­gen denn jetzt in der Kri­se? Be­ob­ach­ten Sie nen­nens­wer­te Um­schich­tun­gen?

Dr. Phil­ip Gis­da­kis: Am In­vest­ment­stil hat sich durch COVID-19 grund­sätz­lich nichts ge­än­dert. Vie­le Anleger ha­ben die Kurs­ein­brü­che im Früh­jahr statt­des­sen ge­nutzt, Li­qui­di­tät mo­bi­li­siert und in­ves­tiert. An­de­re sind vor­sich­tig und war­ten erst­mal ab. Pa­nik­ar­ti­ge Ver­käu­fe habe ich je­doch so gut wie gar nicht be­ob­ach­tet.

Mit­tel- bis lang­fris­tig wird uns Co­ro­na ir­gend­wann auch nicht mehr be­schäf­ti­gen. An­de­re Rah­men­be­din­gun­gen, wie die wahr­schein­lich noch lan­ge an­hal­ten­den Nied­rig­zin­sen und das ma­kro­öko­no­mi­sche Um­feld wer­den viel mehr Ein­fluss auf den Er­folg ei­ner An­la­ge­stra­te­gie und auf die Port­fo­lio­ge­stal­tung der Anleger ha­ben. Wir soll­ten uns heu­te die Fra­ge stel­len, ob wir die Spiel­räu­me durch die Nied­rig­zin­sen und die Fis­kal­mit­tel ef­fi­zi­ent und lang­fris­tig sinn­voll ein­set­zen, um die Heraus­forde­rungen von mor­gen zu lö­sen.

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