Kirchliche Investoren
Kirchliche Investoren in der Zeitenwende
Kirchliche Investoren sind wohl die traditionellsten und auch speziellsten institutionellen Investoren. Lesen Sie, wie Kirchen der herausfordernden Marktsituation begegnen können.
Nachhaltigkeit und Social Impact gehören seit jeher zur DNA kirchlicher Investoren, lange bevor es diese Wörter in Bezug auf die Kapitalanlage überhaupt gab. Dennoch stellen die zunehmenden ESG-Anforderungen den meist alten Immobilienbestand der Kirchen vor große Herausforderungen. Gleichzeitig stehen sie vor der Aufgabe, ihre Portfolios an das veränderte Marktumfeld anzupassen, das von Inflation, steigenden Zinsen und zunehmender Volatilität geprägt ist. Dr. Aris Aristidou, Head of Wealth Management Professional Clients bei der HypoVereinsbank und Kristina Mentzel, Leiterin Vertrieb und Kundenmanagement bei Wealthcap geben Einblicke, wie Kirchen dieser Vielzahl an Herausforderungen begegnen können.
Kirchliche Investoren denken nicht in kurzen Kapitalmarktzyklen, sondern in Generationen - das unterscheidet sie von anderen Investorengruppen.
Kristina MentzelHead of Sales and Customer Management, WealthcapKirchliche Investoren denken nicht in kurzen Kapitalmarktzyklen, sondern in Generationen – das unterscheidet sie von anderen Investorengruppen. „Doch auch wenn die Kirchen riesige Vermögenswerte über die Jahrhunderte bewahrt haben, müssen sie ihre Portfolios nun die Anforderungen der Gegenwart und Zukunft anpassen“, sagt Kristina Mentzel, Leiterin Vertrieb und Kundenmanagement bei Wealthcap. „Inflation, Zinswende und Klimawandel sind Themen, mit denen auch sie sich auseinandersetzen.“
Denn wir erleben eine Zeitenwende: Nach mehr als einem Jahrzehnt mit historisch niedrigen Zinsen und Preisstabilität ist nun die Inflation zurück, und die Zinsen steigen. An den Kapitalmärkten herrscht eine hohe Volatilität, und in Europa gibt es wieder Krieg mit bislang unabsehbaren Folgen für Sicherheit und Wirtschaft. „Auch wenn die Nominalzinsen wieder moderat steigen, das Thema Kapitalanlage ist komplexer und professioneller geworden. Dieses Rad wird sich wohl auch nicht zurückdrehen lassen“, stellt Dr. Aris Aristidou, Head of Wealth Management Professional Clients bei der HypoVereinsbank fest. „Darauf bereiten wir unsere kirchlichen Investoren vor.“ Mentzel ergänzt: „Die Kirchen brauchen Strategien, um mit der Volatilität der Märkte, wachsender Unsicherheit und der zunehmenden Komplexität der Kapitalanlage umzugehen.“
Diversifikation in Zeiten steigender Inflation, Zinsen und Volatilität
Selbst wenn für sie Ertragsoptimierung weniger im Fokus stehen mag als bei anderen Investorengruppen: Auch die Kirchen wollen ihr Kapital erhalten und sind auf regelmäßige Cashflows angewiesen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Inflation, steigende Zinsen und Volatilität aber haben Auswirkungen auf alle Anlageklassen. Diversifizierung ist häufig eine geeignete Maßnahme, um das Risiko-Rendite-Profil eines Anlageportfolios zu verbessern. „Wir ermutigen die Kirchen, sich neuen Assetklassen zu öffnen“, so Aristidou. „Die Beimischung von Real Assets kann ein Portfolio resilienter für volatile Marktphasen machen. Infrastrukturanlagen, Investitionen in erneuerbare Energien, Private Equity oder Immobilien können interessante Ergänzungen des Portfolios darstellen.“
Während viele institutionelle Investoren erst im Nachgang der Finanzkrise von 2008 die Vorzüge von Immobilien entdeckt haben, zählen die Kirchen seit Jahrhunderten zu den größten Bestandshaltern. Doch verschiedene Entwicklungen bedrohen den Wert ihrer Portfolios.
Die Corona-Pandemie hat deutlich vor Augen geführt, dass innerhalb des Segments bestimmte Nutzungsarten von Marktentwicklungen profitieren können, während andere leiden. „Um den Wert des Immobilienportfolios langfristig zu sichern, braucht es heute eine aktivere Anlagestrategie“, erklärt Mentzel. „Auch innerhalb der Assetklasse ist eine stärkere Diversifizierung ratsam.“ Das umfasst neue Nutzungsarten, welche die kirchlichen Investoren bislang nicht in ihren Portfolios hatten, Investments in anderen Regionen innerhalb oder außerhalb Deutschlands oder aber auch Wertsteigerungsstrategien.
Kirchen müssen Wege finden, den teils jahrhundertealten Bestand an moderne Effizienzstandards anzupassen. „Manage-to-green“ ist die große Aufgabe.
Dr. Aris AristidouHead of Wealth Management Professional Clients, HypoVereinsbankESG und Manage-to-green im Immobilienbestand
Die Assetklasse Immobilien rückt seit einiger Zeit auch in den Fokus der ESG-Diskussion. Neben ökologischen Fragestellungen – Gebäude sind weltweit für mehr als ein Drittel der Treibhausgasemissionen verantwortlich – zielt die Regulierung zunehmend auch auf soziale Themen. „Die Kirchen nutzen seit Jahrhunderten riesige Immobilienportfolios für soziale Zwecke. Niemand hat mehr Erfahrung mit dem Betrieb von Gemeindezentren, Altersheimen, Schulgebäuden, Kindergärten und Klerikalräumen“, sagt Aristidou,. „Was das Erreichen von sozialem Impact bei der Kapitalanlage angeht, so sind die Kirchen anderen Institutionellen um Jahre voraus.“ Zugleich sieht er Potenziale, das ESG-Reporting an die Ansprüche von Regulator und Investoren anzupassen und so den Wert des Portfolios, aber auch seine Attraktivität für Mieter, zu steigern.
Beim Thema ökologische Nachhaltigkeit sieht Aristidou hingegen größere Aufgaben auf die Kirchen zukommen – wegen der schieren Größe des Immobilienbestands, aber auch wegen des Alters vieler Gebäude. „Sie müssen Wege finden, den teils jahrhundertealten Bestand an moderne Effizienzstandards anzupassen“, erklärt er. „‘Manage-to-green‘ ist die große Aufgabe, den Bestand nach und nach energetisch zu sanieren, angefangen bei den Objekten, die das beste Aufwand-Nutzen-Verhältnis versprechen. Dabei spielt das inflationäre Umfeld eine wichtige Rolle. Denn die Bau- und Sanierungskosten sind in den letzten Monaten explodiert. Dennoch führt laut Aristidou an der energetischen Sanierung kein Weg vorbei: „Wenn sie nicht gelingt, drohen Objekte zu Stranded Assets zu werden“ – Vermögenswerten also, die nicht mehr verkäuflich oder vermietbar sind.
Besondere Anlagerichtlinien kirchlicher Investoren
„Als Berater müssen wir berücksichtigen, dass die Kirchen keine Investoren sind, wie alle anderen“, erklärt Aristidou. Das betrifft zum einen die Entscheidungsprozesse, die wegen der kirchlichen Gremienarbeit erheblich länger dauern. Zu berücksichtigen sind auch die Anlagerichtlinien, die Katholische und Evangelische Kirche jeweils für sich entwickelt haben. Diese sind nicht rechtsverbindlich, werden aber in der Regel konsequent umgesetzt. „Wer für die Kirchen erfolgreich AssetManagement betreiben will, muss das normative System hinter diesem Regelwerk verstehen“, ergänzt Mentzel. „Denn Lösungen, die nicht nur Erträge bringen, sondern auch mit den Regeln im Einklang stehen, sind sehr kundengruppenspezifisch individuell.“
Investmentlösungen für die Kirchen
Diese und viele weitere, sehr aktuelle Fragen zeigen, dass die Institution Kirche als Immobilienbestandshalter und Kapitalanleger vor großen Herausforderungen steht. Lösungen sind gesucht, die dem neuen Marktumfeld Rechnung tragen, ohne die grundlegenden Ziele und die administrativen Möglichkeiten der Kirchen zu ignorieren. „Die Kirchen haben über die Jahrhunderte auch schon schwerere Stürme überstanden“, resümiert Kristina Mentzel, die regelmäßig mit Entscheidern und Gremien aus diesem Bereich in engem Austausch steht. „Als Wanderer zwischen den Welten des modernen Kapitalmarkts und den traditionellen Strukturen der Kirchen können wir die passenden Lösungen zusammen mit der HypoVereinsbank entwickeln.“