Nachhaltige Investments
Trend oder Modeerscheinung?
Wie wichtig ist ESG als Investmentkriterium bei institutionellen Anlegern wirklich? Wir haben bei Dr. Aris Aristidou, Experte für professionelle Investoren bei der HypoVereinsbank, nachgefragt.
In Zeiten des Klimawandels wird der Wille zur Nachhaltigkeit größer – auch bei Investoren. Denn obwohl häufig noch keine gesetzlichen Regularien existieren, setzen sich ESG-Kriterien immer mehr als Grundlage für Investment-Entscheidungen durch – über alle Marktphasen hinweg. Das bestätigt auch Dr. Aris Aristidou. Er ist im Wealth Management der HypoVereinsbank für die Beratung institutioneller Investoren verantwortlich.
Dr. Aris Aristidou
Leiter Wealth Management professionelle Investoren, HypoVereinsbank
Herr Dr. Aristidou, welche Erwartungen stellen Ihre institutionellen Kunden an Ihre Investments im Bereich Real Assets? Was sind die wichtigsten Ziele?
Dr. Aris Aristidou: Wir betreuen ein sehr breites Spektrum an professionellen Investoren mit ganz unterschiedlichen Anforderungen und Investitionsschwerpunkten. Eines haben aber die meisten Kundenprofile gemeinsam: Der Anlagedruck und die niedrigen Zinsen steigern die Nachfrage nach alternativen Investmentformen. Sachwert-Investments wie Immobilien können einen stabilen Cashflow in angemessener Höhe ermöglichen. Früher hatten wir bei Versorgungswerken und Pensionskassen eine Verteilung von ungefähr 70-30: 70 Prozent Anlagen in festverzinsliche Wertpapiere und 30 Prozent indirekte Investments in Wertpapiere und Sachwerte. Das ist beim Neugeschäft heutzutage praktisch umgekehrt. Gerade Immobilien stehen hoch im Kurs.
Als institutioneller Investor darf ich deswegen nicht nur die Rendite beobachten, sondern auch die Bewegung am Markt: Wenn sich zum Beispiel die Zinsen in fünf oder sechs Jahren nach oben bewegen, wie bewegen sich dann diese Assets am Kapitalmarkt?
Warum spielen ESG-Kriterien – also Ökologie, Soziales und Unternehmensführung – bei Investment-Entscheidungen von Institutionellen eine größer werdende Rolle?
Dr. Aris Aristidou: Für unsere institutionellen Kunden ist das Thema ESG auf verschiedenen Ebenen interessant. Wir merken das an den Ausschreibungen in den verschiedenen Assetklassen – egal ob im Immobilien- oder Wertpapierbereich. Sie möchten mehr und mehr wissen, ob der Asset Manager selbst ESG-konform agiert. Wichtig ist, dass das Thema keine Marketingfunktion darstellt, sondern dass es klare Richtlinien gibt, die auch eingehalten werden. Bei Immobilien-Investments stellt sich vor allem die Frage, wie nachhaltig das Gebäude errichtet wurde und wie ressourcenschonend es betrieben werden kann.
Das zeigt sich auch an der wachsenden Bedeutung von Zertifizierungen. Bei Neubauten sind sie heutzutage schon fast eine Pflicht. Für Investoren hat das auch wirtschaftliche Gründe: Sie wissen, dass sich zertifizierte Immobilien bei einem Exit schlichtweg wesentlich besser verkaufen lassen. Ein weiteres Argument: Wenn Zertifizierungen hohe energetische Standards nachweisen, werden weniger energetische Sanierungen und damit auch weniger Rückstellungen fällig.
Das heißt also, strenge ESG-Kriterien und eine nachhaltig attraktive Rendite sind kein Widerspruch?
Dr. Aris Aristidou: Im Gegenteil: Es gibt interessante Produkte, die sowohl ESG-konform sind und trotzdem überdurchschnittliche Renditen bei einem moderaten Risikoprofil abwerfen. Die Kombination ist entscheidend: Denn weder ein nicht ESG-konformes Produkt noch ein illiquides Investment mit null Prozent Rendite findet Investoren. Auf dem Markt gibt es sehr viele gute Alternativen, die wir unseren Kunden mit gutem Gewissen anbieten.
Gibt es denn wesentliche Unterschiede zwischen den einzelnen Investorengruppen bezüglich ihrer ESG-Exposures?
Dr. Aris Aristidou: Es gibt bemerkbare Unterschiede. Bei Institutionen wie der Kirche und kirchlichen Einrichtungen oder bei gemeinnützigen Stiftungen haben ESG-konforme Produkte in der Finanzanlage einen wesentlich höheren Stellenwert als bei den anderen Anlegergruppen. Für Family Offices kommt es nicht nur auf das Volumen an – sondern auch auf die Personen oder Familien, die hinter dem Vermögen stehen. Diese Faktoren sind häufig entscheidend dafür, wie professionell die Akteure vorgehen.
Regulatorisch gibt es derzeit keine verbindlichen ESG-Vorgaben bei Sachwert-Investments. Doch das könnte sich schnell ändern. Die Europäische Kommission verfolgt Pläne, verschiedene Finanzrichtlinien wie MiFID und AIFM anzupassen – womöglich noch in der zweiten Jahreshälfte 2020. Hierbei stehen vor allem Privatanleger im Mittelpunkt, indirekt jedoch auch institutionelle Investoren. Generell scheint der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit derzeit aber zuallererst von einer internen Motivation auszugehen. Immer mehr Anleger wollen mit ihren Investitionen einen positiven Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten oder etwas für eine soziale Gesellschaft beitragen.
Wie werden sich nach Ihrer Erwartung die Investmentstrategien in den kommenden zehn Jahren verändern und warum?
Dr. Aris Aristidou: Keiner kann die Zukunft voraussehen. Das lehrt nicht zuletzt die völlig unerwartete Corona-Krise. Dafür sind die Umstände auf den Kapitalmärkten einfach zu unruhig und ungewiss. Aber: Das niedrige Zinsniveau wird erst einmal bleiben, und deswegen werden sich auch die regulatorischen Rahmenbedingungen verändern. Ich rechne damit, dass eventuell das Versicherungsanlagegesetz beziehungsweise die Anlageverordnung angepasst werden – mittelfristig unter Umständen auch die Quotenregelungen. Dadurch würde der Zugang zu Real Assets erleichtert, was ihre Nachfrage erhöhen dürfte.
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