Quantensprung Handel
Zum Quantensprung angesetzt
Was die seltsamste Katze der Welt Investoren über die Zukunft des Handels verrät.
Was haben Handel und Quantenphysik gemeinsam? Eigentlich nicht viel, aber bei beidem ist die Zukunft ungewiss.
Wissenschaftler haben dafür ein Gedankenexperiment entworfen, das 1935 von Erwin Schrödinger vorgeschlagen wurde. Um zu zeigen, dass auf Quantenebene andere Naturgesetze gelten als in der Alltagswelt, wird eine Katze in einen Zustand gebracht, in dem sie ungewöhnlicherweise tot und lebend zugleich ist. Aber nur solange niemand hinguckt. Eine weitere Regel von Schrödingers Quanten-Katze ist nämlich, dass diese Unbestimmtheit nur so lange besteht, bis jemand nach der Katze sieht. Erst dann entscheidet sich, in welcher Verfassung die Katze wirklich ist.
So ähnlich verhält es sich mit der Zukunft des Handels: Die Zeiten vergangener Jahrhunderte, in denen sich Menschen über die Marktplätze und Geschäftsstraßen ihrer Ortskerne versorgt haben, ist lange, lange vorbei. Wenn wir heutzutage über den Handel reden, dann meinen wir in der Regel viele unterschiedliche Formen, die alle gleichzeitig existieren und eben NICHT immer widerspruchsfrei sind. (So wie Schrödingers Katze, die eigentlich nicht tot und lebendig zugleich sein kann.) Übertragen wir das Gedankenexperiment also einfach auf die „echte“ Welt: Von der Katze auf die Zukunft des Handels, die, zumindest in den Köpfen unserer #FutureRetail-Experten, schon zu einem guten Teil Gegenwart geworden ist. Welches Szenario sich am Ende durchsetzt? Das wird sich erst beantworten, wenn wir es sehen.
Szenario 1: Der voll digitalisierte Einkauf
Im Jahr 2025 übertragen Händler erstmals ihr gesamtes Warenangebot mit Millionen von Artikeln in die virtuelle Realität und erschaffen einen täuschend echten Einkaufsraum – im Vergleich zum heutigen E-Commerce eine neue Dimension in der Welt des digitalen Einzelhandels. Online einkaufen wird somit erstmals zu einem gefühlt realen Erlebnis. Kunden schauen nicht mehr auf einen Bildschirm und klicken sich durch das Angebot, sondern „bewegen“ sich per VR-Brille durch dreidimensional erfahrbare Verkaufsräume.
Die klassische Werbung in Zeitungen und im Fernsehen ist vollkommen verschwunden. Stattdessen werden Konsumenten in den virtuellen Einkaufswelten durch Influencer, persönliche Empfehlungen und Algorithmen zu ihrem Wunschprodukt geführt. Erscheint ein Produkt in den sozialen Medien und gefällt, dann reicht ein Sprachbefehl aus, um es zu bestellen. Die Einzelhandelsimmobilie selbst integriert immer mehr Logistikflächen und -dienstleistungen in ihr Nutzungsprofil.
Szenario 2: Der Grüne Einkauf
Die öffentlichen Proteste gegen die Umweltverschmutzung trugen Früchte und 2040 leben und denken die Menschen nachhaltig. In den Städten werden vermehrt Lebensmittel auf Dächern und in vertikalen Gärten angebaut. Gebrauchsgegenstände werden nach langer Benutzung repariert und secondhand weiterverwendet oder upgecycelt; einfaches Entsorgen und etwas Neues kaufen ist „out“.
Nachhaltige Biomärkte, Baumärkte mit DIY-Kursen und fußläufige Stadtteilzentren mit aufregenden Erlebnisflächen statt starrer Verkaufsflächen sind „in“. Handelsimmobilien sind von Orten des Konsums zu wichtigen sozialen Interaktionsräumen geworden – Gastronomie, Handel und Erlebnis in einem. Die Verbraucher wollen keine umweltschädliche, energieverschwenderische und ausbeuterische Massenware in riesigen Konsumtempeln mehr. In nahe gelegenen, dezentralen Geschäften kaufen sie regional hergestellte, individualisierte Fair-Trade-Produkte, die ihre Identität widerspiegeln.
Szenario 3: Das Ende der starren Eigentumsimmobilie
Dank der Automatisierung und dem Internet of Things sind die Grenzkosten von Waren und Dienstleistungen nahezu auf null gesunken. Menschliche Arbeit wird kaum noch benötigt und immer mehr Menschen leben von einem allgemeinen Grundeinkommen. 2040 hört der klassische Wirtschaftskreislauf, wie wir ihn kennen, auf zu existieren. Es kommt zu einer „Sharing Revolution“: Eigentum wird zunehmend als Belastung empfunden und die Menschen wenden sich als Folge der Sharing Economy zu, dem Handel mit Nutzungsrechten. Jederzeit können die Rechte dank Blockchain an andere übertragen werden. Niemand will sich mehr langfristig an Autos, Möbel oder Immobilien binden. Stattdessen erleben die Menschen die Freiheit und die Flexibilität, immer wieder neue Modelle und Möglichkeiten ausprobieren und austauschen zu können. Produkte werden nun vermietet und die Daten, die Hersteller von ihren Kunden sammeln, zu Geld gemacht. Ältere Immobilien, die nur einem konkreten Zweck dienten, werden mithilfe multifunktionaler und nachhaltig ausgerichteter Stadtplanung restrukturiert.