Immo­bilien
Ar­ti­kel • 2022-05-27

Real Estate Sum­mit

Die Welt ver­än­dert sich –
doch mit wel­chen Fol­gen?

Im Rah­men des zwei­ten Real Estate Sum­mits der UniCre­dit Bank AG und Wealth­cap spra­chen re­nom­mier­te Ex­per­ten über die schwie­ri­ge Lage in Deutsch­land und Eu­ro­pa. Vie­les mün­det in der all­ge­gen­wär­ti­gen In­fla­ti­on. Die wirt­schaft­li­che Lage in Deutsch­land trübt sich ein, das feh­len­de An­ge­bot treibt die Prei­se. Le­sen Sie, warum die No­ten­ban­ken jetzt re­agie­ren müs­sen – und was die Aus­wir­kun­gen für die As­set­klas­se Immo­bilien sein wer­den.

Le­se­zeit: 6 Mi­nu­ten
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Ein Um­feld mul­ti­pler Kri­sen kon­sta­tiert der Di­rek­tor des Wal­ter Eu­cken In­sti­tuts Freiburg und per­sön­li­cher Be­auf­trag­ter des Bun­des­mi­nis­ters der Fi­nan­zen für die ge­samt­wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung Prof. Dr. Dr. h. c. Lars P. Feld. Re­al­wirt­schaft­lich sieht er ei­nen Eng­pass auf der An­ge­bots­sei­te – und als Fol­ge des­sen In­fla­ti­on. Die Geld­po­li­tik soll­te ent­schlos­sen ge­gen­steu­ern, sonst wer­de die In­fla­ti­on ver­schleppt, mahnt der Pro­fes­sor für Wirt­schafts­po­li­tik an der Uni­ver­si­tät Freiburg. Sven Cars­ten­sen, Vor­stand der bul­wi­en­ge­sa AG, er­klärt, was das ge­gen­wär­ti­ge Um­feld für die Im­mo­bi­li­en­märk­te be­deu­tet.

In sei­ner Be­grü­ßung zum be­reits zwei­ten Real Estate Sum­mit mit über 200 Gäs­ten fass­te Chris­ti­an Reusch, Vor­stand Cli­ent So­lu­ti­ons der UniCre­dit Bank AG, die vo­la­ti­le Lage zu­sam­men: der Krieg in der Ukrai­ne, hohe In­fla­ti­ons­ra­ten und die un­ge­wis­se Ent­wick­lung der Co­ro­na-Pan­de­mie sor­gen für Ver­un­si­che­rung. Der Start ins Jahr 2022 war noch von Zu­ver­sicht ge­kenn­zeich­net, er­in­nert sich Lars P. Feld. Trotz ho­her Co­ro­na-An­ste­ckungs­zah­len wa­ren die Aus­sich­ten für die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung in Deutsch­land und den meis­ten west­li­chen Län­dern noch güns­tig. Die Ein­kaufs­ma­na­ger­indi­zes stan­den auf grün, ob­wohl stei­gen­de In­fla­ti­on und Lie­fer­eng­päs­se be­reits seit ei­ni­gen Mo­na­ten deut­lich spür­bar wa­ren. „Es herrsch­te gro­ße Er­leich­te­rung, dass die wirt­schaft­li­chen Aus­wir­kun­gen der Omi­kron-Wel­len re­la­tiv ge­ring wa­ren“, sagt Feld. Die Welt­kon­junk­tur zog an, ein­zig die an­ge­spann­ten Lie­fer­ket­ten sorg­ten für Kopf­zer­bre­chen.

In die­se Si­tua­ti­on platz­te nun Ende Fe­bru­ar der Aus­bruch des Ukrai­ne­kriegs – und ver­schärf­te da­mit aus­ge­rech­net die be­reits be­stehen­de Lie­fer­ket­ten­pro­ble­ma­tik. Die Risiken im Fi­nanz­sek­tor hält Feld auf eu­ro­päi­scher Ebe­ne ins­ge­samt für be­grenzt, doch sei­en vie­le Bran­chen von Roh­stof­fen oder in­dus­tri­el­len Vor­pro­duk­ten aus Russ­land ab­hän­gig. Lie­fer­eng­päs­se und stei­gen­de Prei­se sei­en die lo­gi­sche Fol­ge. Hin­zu kom­men die straf­fen Co­ro­na-Lock­downs in chi­ne­si­schen Me­tro­po­len wie Shang­hai, wel­che die Lie­fer­ket­ten­pro­ble­ma­tik wei­ter ver­schär­fen.

Nicht die Nach­fra­ge, das An­ge­bot ist das Pro­blem

Im Er­geb­nis, sagt Lars P. Feld, ha­ben wir in Deutsch­land und Eu­ro­pa ei­nen aus­ge­präg­ten An­ge­bots­eng­pass. Zu den ge­nann­ten Ef­fek­ten kommt noch eine Man­gel­si­tua­ti­on an den Ar­beits­märk­ten hin­zu, vor al­lem bei Fach­kräf­ten.

An den An­lei­he­märk­ten sei­en mög­li­che An­pas­sun­gen der Eu­ro­päi­schen Zen­tral­bank (EZB) teil­wei­se be­reits ein­ge­preist, „fak­tisch ist die EZB aber noch nicht in eine geld­po­li­ti­sche Nor­ma­li­sie­rung ein­ge­tre­ten“, stellt Lars P. Feld fest. Sie müss­te nun mit ei­ner Straf­fung der Geld­po­li­tik da­für sor­gen, dass vor al­lem die In­fla­ti­ons­er­war­tun­gen wie­der zu­rück­gin­gen.

Zen­tral­ban­ken lei­ten in­fol­ge ho­her In­fla­ti­on Nor­ma­li­sie­rung ein

Zins­an­he­bung im Euro-Raum je­doch nicht vor Be­en­di­gung der Wert­pa­pier­an­käu­fe zu er­war­ten


Quel­len: BoE, CME, Deut­sche Bun­des­bank, EZB, Fed, ICE, Re­fi­ni­tiv Da­ta­stream, ei­ge­ne Be­rech­nun­gen © Sach­ver­stän­di­gen­rat und ICAP, Re­fi­ni­tiv Da­ta­stream, ei­ge­ne Be­rech­nun­gen © Sach­ver­stän­di­gen­rat

Soll­ten die In­fla­ti­ons­er­war­tun­gen nicht recht­zei­tig ge­drückt wer­den, droh­ten Zweit­run­den­ef­fek­te, zum Bei­spiel bei den Löh­nen – die so­ge­nann­te Lohn-Preis-Spi­ra­le. Mit dem Auf­kom­men der hö­he­ren In­fla­ti­on sei­en die Brut­to­re­al­löh­ne in Eu­ro­pa schon ge­sun­ken, das er­hö­he den Druck auf die Lohn­for­de­run­gen von Ar­beit­neh­mern und Ge­werk­schaf­ten. „Ist die In­fla­ti­on ein­mal ge­kom­men, um zu blei­ben, wird sie da­nach nur noch sehr schwer wie­der zu be­kämp­fen sein“, mahnt das Mit­glied der Min­dest­lohn­kom­mis­si­on und des Wis­sen­schaft­li­chen Bei­ra­tes beim Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Fi­nan­zen. „Lie­ber eine schnel­le Re­zes­si­on als eine lan­ge ver­schlepp­te In­fla­ti­on mit da­nach tie­fe­rem Wirt­schafts­ein­bruch.“

We­sent­lich sei al­ler­dings eine Kon­so­li­die­rung der Staats­haus­hal­te, was an­ge­sichts von De­mo­gra­fie, Geo­po­li­tik und De­kar­bo­ni­sie­rung nicht ein­fa­cher wer­de. Ein Ab­rü­cken von ei­ner stark kon­sum­ge­trie­be­nen Nach­fra­ge- zu ei­ner stär­ke­ren An­ge­bots­po­li­tik sei nicht zu­letzt vor die­sem Hin­ter­grund rat­sam.

Für Ka­pi­tal­an­le­ger bleibt das Um­feld vor die­sem Hin­ter­grund her­aus­for­dernd. Zwar scheint sich an den An­lei­he­märk­ten der Eu­ro­zo­ne tat­säch­lich eine Zins­wen­de ab­zu­zeich­nen. Doch in Re­la­ti­on zu den stark ge­stie­ge­nen In­fla­ti­ons­ra­ten hat sich das Pro­blem eher ver­grö­ßert: Die Re­al­zin­sen, also die in­fla­ti­ons­be­rei­nig­ten Zin­sen, sind in den ver­gan­ge­nen Mo­na­ten wei­ter ge­sun­ken.

Hohe In­fla­ti­on und fal­len­de Re­al­zin­sen

En­er­gie­prei­se sind im Jahr 2022 In­fla­ti­ons­trei­ber, im Jahr 2023 zu­neh­mend Kern­in­fla­ti­on


Quel­len: Eu­ro­stat, ei­ge­ne Be­rech­nun­gen © Sach­ver­stän­di­gen­rat und EZB © Sach­ver­stän­di­gen­rat

Kein Stim­mungs­ein­bruch am Im­mo­bi­li­en­markt

Was be­deu­ten die­se „mul­ti­plen Kri­sen“ für die Ent­wick­lung am deut­schen Im­mo­bi­li­en­markt. Sven Cars­ten­sen vom Immo­bilien-Ana­ly­se­haus bul­wi­en­ge­sa be­ob­ach­tet zwar „eine Ein­trü­bung der Stim­mungs­la­ge, aber kei­nen Stim­mungs­ein­bruch“. Bei Woh­nen und Lo­gis­tik ist das sehr po­si­ti­ve Im­mo­bi­li­en­kli­ma nur leicht zu­rück­ge­gan­gen, bei stär­ker von der Pan­de­mie be­trof­fe­nen Nut­zungs­ar­ten wur­de die star­ke Er­ho­lung kurz­fris­tig et­was un­ter­bro­chen. Cars­ten­sen er­in­nert auch an die star­ken Trans­ak­ti­ons­zah­len aus 2021 sowie dem ers­ten Quar­tal 2022.

Im­mo­bi­li­en­kli­ma nach Seg­men­ten 1/2008 - 04/2022


Quel­len: Deut­sche Hypo und bul­wi­en­ge­sa AG

Al­ler­dings be­ob­ach­tet Cars­ten­sen vor al­lem am Bü­ro­markt eine zu­neh­men­de Zwei­tei­lung: Auf Core-Ob­jek­te, zen­tra­le La­gen in den gro­ßen Städ­ten und Nach­hal­tig­keits­kri­te­ri­en wür­de so­wohl von den Mie­tern als auch von den In­ves­to­ren im­mer stär­ke­ren Wert ge­legt. Ka­pi­tel 8 ge­mäß Of­fen­le­gungs­ver­ord­nung wer­de von im­mer mehr in­sti­tu­tio­nel­len In­ves­to­ren in­zwi­schen ver­langt. Bestands­objekte mit ge­rin­gem Sa­nie­rungs­po­ten­zi­al in Rand­la­gen hin­ge­gen wür­den im­mer we­ni­ger ver­mark­tungs­fä­hig.

Ende der Ren­di­te­kom­pres­si­on, aber kei­ne Kehrt­wen­de

Die ge­ne­rel­le Bü­ro­flä­chen­nach­fra­ge blei­be hoch, er­war­tet Cars­ten­sen. Die Flä­chen­um­sät­ze sind der­zeit von ei­nem Auf­hol­ef­fekt ge­prägt, doch auch län­ger­fris­tig gibt die er­war­te­te Bü­ro­be­schäf­tig­ten­ent­wick­lung An­lass zu Op­ti­mis­mus. Dem­ge­gen­über wer­den die Fer­tig­stel­lun­gen nach ei­ner Spit­ze 2022 und 2023 je­doch sin­ken. Nicht zu­letzt die ho­hen Bau­kos­ten könn­ten die eine oder an­de­re Projekt­entwicklung wohl zu­rück­wer­fen. Da­mit wird ein we­ni­ger stei­gen­des An­ge­bot an hoch­klas­si­gen und modernen Bü­ro­flä­chen auf eine zu­min­dest gleich­blei­ben­de, wenn nicht stei­gen­de Nach­fra­ge nach Ob­jek­ten sto­ßen. An­ders die we­ni­ger at­trak­ti­ven Immo­bilien in de­zen­tra­len La­gen, die Cars­ten­sen zu­fol­ge an Zu­spruch ver­lie­ren wer­den.

Die Ren­di­te­kom­pres­si­on der ver­gan­ge­nen Jah­re im Bü­ro­seg­ment wer­de sich nicht fort­set­zen, er­war­tet Cars­ten­sen. Wenn die Ren­di­ten be­zie­hungs­wei­se Zin­sen li­qui­der Assets wie­der stei­gen und so­mit für die Ka­pi­tal­an­le­ger at­trak­ti­ver wer­den, wer­den zu­min­dest wei­te­re Ren­di­te­rück­gän­ge an den Im­mo­bi­li­en­märk­ten un­wahr­schein­li­cher. Von deut­li­chen Ren­di­te­an­stie­gen in den Top-Seg­men­ten geht er trotz­dem nicht aus: „Real blei­ben die An­lei­he­zin­sen ne­ga­tiv. Re­si­li­en­te Im­mo­bi­li­en­in­vest­ments blei­ben in die­sem Um­feld at­trak­tiv, weil sie die In­fla­ti­on lang­fris­tig teil­wei­se aus­glei­chen kön­nen.“

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