Die VolkswagenStiftung
Zwei Ziele, eine Antwort
Auf welche Anlagestrategie die VolkswagenStiftung setzt, um den Stiftungszweck zu erfüllen und gleichzeitig den Kapitalerhalt zu sichern, erfahren Sie im Interview mit Dieter Lehmann.
Ordentliche Erträge und realer Kapitalerhalt – diese beiden Renditefaktoren müssen Stiftungen strikt voneinander trennen. Dieter Lehmann, Leiter Vermögensanlage bei der VolkswagenStiftung, erklärt im Interview, weshalb sich mit Sachwerten dennoch beide Ziele gleichzeitig verfolgen lassen, wie Stiftungen auf das Zinstief reagieren können und welche Regularien es zu beachten gibt.
Dieter Lehmann: Keine Frage, die Herausforderungen wachsen, ausreichende Erträge zu generieren, um den Stiftungszweck zu erfüllen. Für Einrichtungen wie die VolkswagenStiftung gilt es, strikt zu unterscheiden zwischen ordentlichen Erträgen – hauptsächlich Zinsen, Mieten und Dividenden – sowie außerordentlichen Erträgen, beispielsweise realisierte Kursgewinne. Denn zur Finanzierung des Stiftungszwecks dürfen nur die ordentlichen Erträge verwendet werden. Die außerordentlichen Erträge dienen bei Stiftungen, die „auf Ewigkeit“ gegründet sind, ausschließlich dem inflationsbereinigten Kapitalerhalt und fließen deshalb in die sogenannte Umschichtungsrücklage. Das unterscheidet uns von klassischen institutionellen Investoren wie Versicherungen.
Da festverzinsliche Wertpapiere aufgrund ihrer Endfälligkeit in der Regel keinen Inflationsausgleich schaffen können, führen viele Stiftungen gemäß § 62 der Abgabenordnung ein Drittel ihres Überschusses aus Vermögensbewirtschaftung, also der ordentlichen Erträge abzüglich Kosten, zusätzlich als Rücklage dem Kapital zum Zweck seines Erhalts zu. Das macht es natürlich nochmals schwieriger, auf der anderen Seite angemessene Erträge für den Stiftungszweck zur Verfügung zu stellen. Wir sind deshalb dazu übergegangen, unsere Sachwertquote zu erhöhen. Darunter verstehen wir vor allem Aktien und Immobilien – also Assets ohne feste Verzinsung und Endfälligkeit, die langfristig durch ihren natürlichen Wertzuwachs die Inflation ausgleichen und den realen Kapitalerhalt somit sicherstellen. So können wir seit einigen Jahren auf die Rücklagenbildung aus ordentlichen Erträgen verzichten und dank der dadurch nicht mehr gebundenen Erträge trotz sinkender Zinseinnahmen unsere 2005 vereinbarte Selbstverpflichtung, Erträge in Höhe von etwa zwei Prozent unseres Stiftungskapitals für die Allgemeine Förderung bereitzustellen, erfüllen.
Dieter Lehmann: Es stimmt, als Stiftung bürgerlichen Rechts sind wir grundsätzlich flexibler bei der Kapitalanlage als eine Versicherung oder eine Altersvorsorgeeinrichtung. Allerdings gibt es auch für uns bestimmte Spielregeln. Beispielsweise sind wir als gemeinnützige Stiftung steuerbefreit. Dies setzt allerdings voraus, dass wir im Rahmen unserer Vermögensanlage keine gewerblich geprägten Erträge gemäß § 15 EkStG vereinnahmen und über Beteiligungen keine sogenannte mitunternehmerische Einflussnahme ausüben dürfen.
Dieter Lehmann: Wie geschildert, wollen wir jährlich rund zwei Prozent der ordentlichen Erträge aus dem Stiftungskapital für die Allgemeine Förderung bereitstellen, derzeit also rund 70 Millionen Euro. Hinzu kommt der Inflationsausgleich: Wir verwenden hierfür einen auf die konkrete Tätigkeit der Stiftung abgestimmten Teuerungsindex, der in den vergangenen Jahren durchschnittlich bei über zwei Prozent lag. Dieser sollte vor allem über die Wertentwicklungen unserer Assets kompensiert werden. Und schließlich müssen natürlich auch die laufenden Betriebskosten der Stiftung aus ordentlichen Erträgen finanziert werden. Eine Zielrendite im engeren Sinne wie andere Kapitalanleger wollen und müssen wir nicht formulieren.
Unsere Performance-Rechnung reicht bis ins Jahr 1990 zurück, seither haben wir einen Durchschnittswert von gut sechs Prozent pro Jahr erzielt. Während in den 1990er-Jahren die Stiftung ein eher rentenlastiges Portfolio mit viel höheren Zinserträgen hielt, überwiegen heute die Sachwerte.
VolkswagenStiftung - Details
Dieter Lehmann leitet seit mehr als 20 Jahren die Vermögensanlage der VolkswagenStiftung. Die Stiftung ist aus der Privatisierung des Volkswagen-Konzerns hervorgegangen und hält derzeit ein Stiftungskapital von circa 3,5 Milliarden Euro. Sie zählt jedoch nicht zu den klassischen Unternehmensstiftungen. Stiftungszweck ist die Förderung von Wissenschaft und Technik in Forschung und Lehre. Dafür stellt sie jährlich ordentliche Erträge in Höhe von etwa zwei Prozent des Stiftungskapitals als Allgemeine Förderung zur Verfügung. Hinzu kommt als zweite Förderkomponente ein Anteil an den Dividenden des VW-Konzerns, den sie zweckgebunden an die niedersächsische Landesregierung durchreicht, das sogenannte Niedersächsische Vorab.
Dieter Lehmann: Aktuell sind wir zu rund 46 Prozent in festverzinslichen Wertpapieren investiert, zu fast 41 Prozent in Aktien, zu etwa zwölf Prozent in Immobilien und zu gut einem Prozent in Alternatives. Verschiebungen hat es auch innerhalb dieser Assetklassen gegeben. Im Anleihebereich etwa haben wir seit Jahren keine Neuinvestments in kaum verzinste Bundesanleihen und Pfandbriefe mehr vorgenommen. Behutsam wurde hierbei das Mindestrating gesenkt und stattdessen wurden Unternehmensanleihen, Nachranganleihen und Emerging-Markets-Bonds ins Portfolio aufgenommen. Da wir diese Assets bis zur Endfälligkeit halten, ist das Volatilitätsrisiko für uns von geringerer Bedeutung. Wir schauen vor allem auf das Ausfallrisiko. Auch bei Aktien wollen wir sehr langfristig investiert sein, achten auf auskömmliche Dividenden und einen langfristigen inflationsbereinigten Kapitalerhalt, sodass wir kurzfristige Volatilität im Zweifel ignorieren können.
Dieter Lehmann: Immobilien sind bei uns traditionell eine feste Größe. Derzeit liegen wir mit etwa zwölf Prozent vorübergehend zwar etwas darunter, weil wir uns von einigen Altobjekten getrennt haben, aber mittel- bis langfristig lautet unser Ziel seit jeher 14 bis 15 Prozent Anteil am Gesamtvermögen. Und wir planen derzeit auch keine Änderung an unserer Zielallokation, die sich auf Büro- und Wohnimmobilien in sehr guten Lagen der deutschen Top-Standorte konzentriert. Immobilien sind für uns wichtig, denn sie bieten Diversifizierung, recht gut kalkulierbare ordentliche Erträge durch die Mieteinnahmen sowie realen Kapitalerhalt durch die Wertentwicklung.
Dieter Lehmann: Unsere Immobilien werden von drei Tochtergesellschaften der Stiftung und von einem Spezialfonds verwaltet. Wir treten grundsätzlich nur als alleiniger Investor auf, haben zudem sehr enge Vorstellungen von potenziellen Anlageobjekten und verzichten auf den Einsatz von Fremdkapital. Betreuungsseitig sind wir bestens versorgt.
Dieter Lehmann: Für uns gilt das auf zwei Ebenen: Zum einen leisten wir mit der Erfüllung unseres Stiftungszwecks – die Förderung von Wissenschaft und Technik in Forschung und Lehre – unter anderem auch einen Beitrag zu Forschung und Entwicklung in den Bereichen erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Gesundheit und vieles mehr. Von daher sind wir somit ohnehin sehr nachhaltig ausgerichtet.
Zum anderen sind wir als Kapitalanleger immer stärker mit diesem Thema konfrontiert. Entsprechende Kriterien beachten wir in der Vermögensanlage allerdings schon seit vielen Jahren. Im Jahr 2018 haben wir zudem ein Nachhaltigkeits-Screening für unseren gesamten intern wie extern verwalteten Aktien- und Rentenbestand eingeführt. Hinzu kommen für uns harte Ausschlusskriterien, beispielsweise für Hersteller international geächteter Waffen. Bei Immobilien achten wir nicht nur auf Umweltstandards, sondern auch darauf, ob die potenziellen Mieter unseren ethischen, sozialen und ökologischen Wertvorstellungen entsprechen.